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Wöchentlicher Blog zu den Losungen

 "Selig sind die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen." (Matthäus 5,9)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, bestürzt verfolgte ich in den vergangenen Wochen die Entwicklung in Afghanistan. - Wie viele andere kritische Beobachter - fragte ich mich: "Was hat der Afghanistan - Einsatz westlicher Soldaten uns eigentlich gebracht?"  Gewiss, der Einfluss Al Kaidas konnte weitgehend zurückgedrängt werden, und auch die Stärkung grundlegender Menschenrechte, wie die Einführung der Meinungs- und Pressefreiheit oder die Gleichberechtigung der Frauen, darf durchaus als positiver Einfluss des Westens auf die afghanische Gesellschaft gewertet werden. Doch darf darüber hinaus nicht übersehen werden, dass diese Neuerungen nahezu ausschließlich den Bewohnerinnen und Bewohnern der Städte zugute kamen; auf dem Lande änderte sich so gut wie nichts. Das Familienoberhaupt hat dort nach wie vor das letzte Wort.

Völlig unberücksichtigt blieb zudem, dass sich sogenannte "westliche Werte" nur schwer mit den einheimischen Lebens- und Wertvorstellungen in Einklang bringen lassen. Nackte Frauen in den Medien, ungezügeltes Luxus- und Konsumstreben und ein übertriebener Individualismus sind mit den Weisungen des "Koran" nicht zu vereinbaren. Hinzu kommt - und ich bedaure das sagen zu müssen -, dass das oft rüde Vorgehen amerikanischer Soldaten gegen die afghanische Zivilbevölkerung, den ohnehin schon weitverbreiteten Antiamerikanismus noch verstärkte. Deutsche Soldaten genossen demgegenüber anfänglich große Sympathien, erinnerte man sich in Afghanistan doch an das traditionell herausragend gute Verhältnis beider Länder in der Vergangenheit. Doch mit zunehmender Dauer des Einsatzes schlug die Stimmung um. Weil sie ihre Bündnisverpflichtungen ernst nahmen, galten die deutschen Soldaten - wie übrigens die Soldaten der anderen Nato - Partner auch -  in der öffentlichen Wahrnehmung bald lediglich als "Vasallen der USA". Dass zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen die Lebenssituation der einheimischen Bevölkerung nachhaltig verbesserten, wurde leider häufig übersehen. Kurz und gut: der Afghanistaneinsatz musste scheitern, weil die Verantwortlichen von falschen Voraussetzungen ausgingen. 

Diese Kritik fällt aber auch auf mich selbst zurück. Von 1995 - 2008 war ich Militärpfarrer an verschiedenen deutschen Standorten. Als zu erkennen war, dass sowohl der Bosnien- als auch der Kosovokonflikt nur militärisch gelöst werden konnten, sprach ich mich im "Lebenskundlichen Unterricht" entschieden für eine Beteiligung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen der NATO aus, obwohl die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee war. Ich berief mich einerseits auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1994, wonach ein militärischer Einsatz auch außerhalb des Nato - Gebiets möglich ist, sofern er dazu dient, "Frieden und menschenwürdige Lebensbedingungen" zu stabilisieren. Zum anderen verwies ich auf den Satz Jesu aus der Bergpredigt, der heute Grundlage meiner Abhandlung ist: "Selig sind die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen." (Matthäus 5,9; s.o.)

Jesus redet von aktivem Tun: "Frieden stiften" (Tätigkeitswort !!!; im griechischen Original des NT: eirenen poiein) und nicht von den "Friedfertigen" (zum Hauptwort umgestaltetes Eigenschaftswort !!!). Oder, um es mit den Worten Erich Kästners zu sagen: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." (aus Erich Kästners Gedicht: "Moral")  Wer "Frieden stiften" will, der muss sich zwischen zwei verfeindete Gruppen stellen und sie daran hindern, sich gegenseitig Gewalt anzutun. Im Blick auf die gegenwärtig weitgehend friedliche Lage in Bosnien und im Kosovo, bin ich auch heute noch davon überzeugt, dass mein Verweis auf die Bergpredigt angemessen war. Im Blick auf die besonderen Umstände in Afghanistan (s.o.) habe ich es mir zu einfach gemacht. Das gestehe ich ein. Für die Zukunft bleibt zu überlegen, ob jedes Eingreifen in Konflikte sinnvoll ist, auch wenn es aus humanistischen Gründen sinnvoll erscheint.

Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, Dass Jesus, der ja aramäisch sprach, mit Sicherheit die alttestamentliche Bedeutung des Wortes "Frieden": "Schalom" im Hinterkopf hatte, ist absolut sicher. Und "Schalom" bezeichnet nicht nur den "äußeren Frieden", sondern auch den Inneren. Soziale Gerechtigkeit, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Generationen und ein fairer und anständiger Umgang politischer Parteien miteinander - trotz aller Gegensätze - ist selbstverständlich mitgemeint, wenn vom "Schalom" die Rede ist.

Ihnen eine gesegnete Zeit      
Albrecht Mewes

 

Jesus spricht: "Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird´s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird´s erhalten." (Markus 8,34.35)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, von Zeit zu Zeit beleuchte ich in meinen Predigten das Leben herausragender Persönlichkeiten der Bibel und der Kirchengeschichte. Eine dieser Persönlichkeiten ist mir dabei besonders wichtig, orientiert sie sich doch an dem Jesuswort, das ich heute zu Grundlage meiner Bibelbetrachtung gemacht habe (Markus 8,34.35; s.o.). Um den Unterhaltungswert der Lebensbeschreibung zu steigern, werde ich die Person, um die es geht in Rätselform vorstellen. Wenn sie Lust haben, dann raten sie doch einfach mal mit. Selbstverständlich lasse ich alle verräterischen Angaben (Orts- und Personennamen, usw.) weg, so dass die Lösung dieser Aufgabe nicht ganz einfach, aber machbar ist.

Bei unserer Persönlichkeit handelt es sich um einen Mann, der 1875 in einem kleinen Ort im Elsass geboren wurde. - Das Elsass gehörte damals zum Deutschen Reich, heute zu Frankreich. -  Unser Mann war im wahrsten Sinne des Wortes ein Hochbegabter. Schon in jungen Jahren lernte er das Orgelspielen und bald beherrschte er dieses Instrument so perfekt, dass er noch heute zu den bedeutendsten Organisten der Welt gezählt wird. Nach dem Abitur studierte er Theologie und Musikwissenschaft und war bereits mit 26 Jahren Privatdozent an der Straßburger Universität. Zwei Bücher machten ihn schlagartig berühmt: seine Abhandlung zur "Geschichte der Leben Jesu Forschung" und seine zunächst in Französisch, später in doppeltem Umfang in Deutsch abgefasste "Bach - Biografie". Beide Bücher gehören noch heute zum festen Bestand der Examensliteratur beider Disziplinen. 

Was hätte aus unserem Mann nicht noch alles werden können, wenn er so weiter gemacht hätte. Aber es ging so nicht weiter. In einer diakonischen Zeitschrift las er eines Tages, dass Leprakranke in Afrika von ihren Familien getrennt wurden und völlig isoliert unter menschenunwürdigen Bedingungen dahinvegetieren mussten. Der Artikel hatte bei ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Ihm fiel der Satz Jesu ein: "Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach (Markus 8,34). Nachfolge Jesu bedeutete für ihn, sich auf die Seite derer zu stellen, die sich selbst nicht mehr helfen können. Darum beschloss er nur noch bis zum 30. Lebensjahr für Wissenschaft und Kultur tätig zu sein, danach aber sein Leben den Ärmsten der Armen zu widmen. So gab er mit 30 eine glänzende Karriere auf und begann Medizin zu studieren. Auch dieses Studium schloss er erfolgreich ab, blieb aber seinem Vorhaben treu.

So ließ er 1913 sein altes Leben hinter sich und reiste in den zentralafrikanischen Urwald, um dort ein Hospital für Leprakranke zu errichten. Diesem Hospital angeschlossen waren Wohnhäuser für die Angehörigen der Erkrankten, so dass die Leprakranken ihre letzte Lebenszeit zusammen mit ihren Familienangehörigen verbringen konnten. Gleichzeitig wurde dort auch nach den Ursachen geforscht und nach sinnvollen Behandlungsmethoden gesucht. Diese Forschung hat unter anderem dazu beigetragen, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation seit 1975 die Lepraerkrankung weitgehend als ausgestorben gilt.      Für seine "Verdienste um die Menschlichkeit" erhielt unser Mann 1952 den Friedensnobelpreis zugesprochen (verliehen wurde er ihm aber erst 1953).  In einer Studie des Shell - Konzerns 1959 nannten Jugendliche weltweit - auf die Frage nach ihrem größten Vorbild - seinen Namen an erster Stelle. Trotz  aller Anerkennung die unser Mann weltweit genoss, darf nicht vergessen werden dass sein Weg eben auch ein Kreuzweg war, der Opfer forderte.  Weil seine Frau und seine Tochter das Klima in Afrika nicht vertrugen, war an ein normales Familienleben nicht zu denken. Seine Tochter hatte deshalb bis zu ihrem Tod ein gespanntes Verhältnis zu ihrem Vater. Dasselbe gilt übrigens auch für die Angehörigen anderer "Wohltäter der Menschheit".

Haben sie herausbekommen, um wen es sich in unserem Rätsel handelt? Wenn nicht, die Auflösung gibt es im Artikel der nächsten Woche.
Ihnen eine gesegnete Woche!
Albrecht Mewes

 

Der Herr spricht: "Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf." (1. Mose 8,21)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, zu Beginn der heutigen Bibelbetrachtung möchte ich zwei Fragen an sie richten. 1) Nach wem ist der Neandertaler benannt? 2) Und warum starb der Neandertaler vor 30000 Jahren aus?

Zu 1): Der Neandertaler ist nach einem evangelischen Pfarrer benannt!! "Wundert uns nicht", gaben mir meine Konfirmandinnen und Konfirmanden zu verstehen, wenn ich sie auf diesen Tatbestand ansprach, kamen für sie Pfarrer in der Regel doch recht "altertümlich" daher. Doch sie irrten sich. Der angesprochene Pfarrer darf getrost als Erneuerer des Protestantismus, vor allem aber als bedeutender Dichter und Komponist von Kirchenliedern angesehen werden. Sein bekanntestes Kirchenlied, "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren", machte ihn in der christlichen Welt berühmt und wurde in viele Sprachen übersetzt. "Joachim Neander" (1650 - 1680) - so sein Name - hielt in einer eindrucksvollen Schlucht des Flüsschens Düssel (östlich von Düsseldorf) häufig Gottesdienste ab und komponierte dort einen Großteil seiner Lieder, so dass man diese Schlucht im 19. Jahrhundert ihm zu Ehren in "Neandertal" umbenannte. Nachdem dort 1856 die ersten Skelettteile des Frühmenschen entdeckt und dieser nach seinem Fundort "Neandertaler" genannt wurde, findet sich der Name Joachim Neanders eben auch im Begriff "Neandertaler" wieder. 

Zu 2): Der Neandertaler starb vor 30000 Jahren aus, weil er zu friedliebend war. Im Ringen um neue Jagdgründe hatte der friedliche (friedensbewegte) "Neandertaler" der ausgeprägten  Aggressivität des "Homo Sapiens" nichts entgegen zu setzen. "Sein egoistisches, aggressives Gen hat den Siegeszug des "Homo Sapiens" wohl überhaupt erst möglich gemacht", behaupten einige moderne Hirnforscher. Das scheint den Worten des griechischen Philosophen Heraklit (um 520 v. Chr. - um 460 v. Chr.)  zeitlose Gültigkeit zu verleihen: "Der Krieg ist der Vater aller Dinge und der König aller. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Freien, die anderen zu Sklaven." Im Gefolge Heraklits haben Philosophen wie Theologen und vor allem auch Verhaltensforscher immer wieder versucht, das Geheimnis der Gewaltbereitschaft, der Aggressivität und Boshaftigkeit des Menschen zu entschlüsseln (besonders zur Lektüre zu empfehlen: Konrad Lorenz "Das sogenannte Böse"  DTV, 1963, Neuauflage 1977). Martin Luther gründet seine Analyse zu dem Problem des Bösen im Menschen auf die Aussage Gottes am Ende der Sintflut - Geschichte (1. Mose 8,21; siehe oben). Auch wenn der Mensch durch den Glauben an Jesus Christus immer wieder von Gott gerecht gesprochen wird (Römer 3,21 - 28), bleibt der "Alte Adam" dennoch in ihm lebendig, ist auch der Christ kein wirklich friedliebender Mensch, denn - so Luther - "das Schwein kann schwimmen". 

Weil also das Böse fundamental zum Wesen des Menschen gehört (vgl. unser heutiges Bibelwort 1. Mose 8,21), bleibt es nach Luther vorrangige Aufgabe aller politisch Verantwortlichen, dafür zu sorgen, dass der Aggressionsspielraum in der Welt auf ein Minimum reduziert wird. Eine absolut "heile Welt" dürfen wir erst bei Gott, leider aber nicht schon hier auf der Erde erwarten.

Ihnen eine gesegnete Woche!
Albrecht Mewes

 

„So zerstreute sie der HERR von dort in alle Lande, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.“ (1. Mose 11,8.9)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, wer kennt sie nicht, die Urgeschichte vom „Turmbau zu Babel“? (1. Mose 11,1-9). Schon im Kindergottesdienst gehörte sie zu meinen absoluten biblischen Lieblingsgeschichten. Obwohl mich einiges auch irritierte. Warum – so habe ich mich gefragt – ist Gott ein solcher Spielverderber? Befürchtete er, dass der Mensch ihn im Himmel besuchen könne, um ihm seine Macht zu rauben? Meine Verwunderung steigerte sich noch, als ich erfuhr, dass Archäologen Anfang des 20. Jahrhunderts die Überreste des Turms ausgegraben und festgestellt hatten, dass seine Höhe nur etwa 91 Meter betrug. Schon im Altertum gab es höhere Bauwerke. Die Cheops Pyramide erreichte beispielsweise eine Höhe von 146 Metern. Und welche Empfindungen müssten Gott heute bestürmen, wenn er die gigantomanischen Zeugnisse menschlichen Größenwahns betrachtete. Das Ulmer Münster, das immerhin ihm zu Ehren gebaut wurde, ist 161 Meter hoch und damit zwar die höchste Kirche der Welt, aber verhältnismäßig klein im Verhältnis zu den anderen Versuchen des Menschen sich einen „Namen zu machen“ (vgl. 1. Mose 11,4). Der Commerzbank - Tower in Frankfurt am Main ist 261 Meter hoch, der Berliner Fernsehturm 368 Meter, und der Burj Khalifa (höchstes Gebäude der Gegenwart) erreicht sogar 828 Meter. Weshalb also reagiert Gott so empfindlich auf den doch eher bescheidenen Versuch unserer Vorfahren, sich mit einem 91 Meter hohen Turm „einen Namen zu machen“ (1.Mose 11, 4)?      

Nun, Gott selbst gibt darauf in 1. Mose 11,6 die entscheidende Antwort: „Dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.“ Dieser Aussage liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Mensch sich immer selbst gefährdet, wenn er „sein will wie Gott“ (1. Mose 3,5). Mit Hilfe seines Verstandes vermag der Mensch vieles zu erreichen, was unseren Vorfahren noch unerreichbar schien. Dank fortschrittlicher Medizin verlängerte der Mensch in den letzten 200 Jahren sein Leben um das Doppelte (durchschnittliche Lebenserwartung um 1800: ungefähr 40 Jahre; durchschnittliche Lebenserwartung heute: ungefähr 80 Jahre). Moderne Verkehrsmittel und Kommunikationsmedien lassen unseren Planeten immer stärker schrumpfen. Alles scheint möglich, wenn der Mensch nur seinen gottgleichen (?) Verstand zielführend einsetzt! Wohl gemerkt: es scheint (nur) so!!! Bedauerlicherweise hinkt die Vernunft dem Verstand meilenweit hinterher. Die weltweite Zerstörung der Natur, das Auseinanderdriften gesellschaftlicher Gruppen, die zunehmende Isolation vieler Menschen und ihre der Globalisierung geschuldete Entwurzelung dokumentieren das hinlänglich. Der große deutsche Physiker Max Born (1882 – 1970) fasste diese Beobachtung in einem berühmt gewordenen Satz zusammen (ursprünglich auf die Atombombe bezogen!): Meine Generation hat gelernt zwischen Verstand und Vernunft zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund ist die moderne Welt ein triumphaler Erfolg des Verstandes, aber ein tragisches Versagen der Vernunft.“ Zur Gottgleichheit gehört demgegenüber immer das ausgewogene Verhältnis von Verstand und Vernunft. Sein Verhalten zeigt, dass der Mensch ein Geschöpf und eben niemals „gottgleich“ ist. Gottes Strafmaßnahme (Sprachverwirrung und Zerstreuung; vgl. 1. Mose 11,8.9) zielt daher darauf ab, den Menschen wieder auf das menschliche Maß zurückzustutzen, um ihn vor sich selbst zu schützen.

Ihnen eine gesegnete Woche
Albrecht Mewes

 

"Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot." (1. Mose 4,8)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Geschichte von Kain und Abel (1. Mose 4,1-16) gehört zweifelsohne zu den bekanntesten, spannendsten und am meisten missverstandenen Überlieferungen der Bibel. Kaum ein Autor der Kirchengeschichte konnte sich der Auseinandersetzung mit diesem Stoff entziehen. Als "Urgeschichte" spiegelt 1. Mose 4,1-16 nämlich in unübertroffener Weise menschliche Abgründe wieder. Der erste Mord der Geschichte war zugleich das erste Eifersuchtsdrama. Geld und verschmähte Liebe waren zu allen Zeiten Haupttatmotive von Kapitalverbrechen. Doch gerade deshalb macht unsere Geschichte deutlich: Mord lohnt sich nicht, denn er löst keine bestehenden Probleme. Worum also geht es in unserer Geschichte? Kain ist eifersüchtig auf seinen Bruder Abel, weil dieser Erfolg im Leben hat und er nicht. Er glaubt sich darum  von Gott verlassen. "Der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an." (1. Mose 4,4.5) Da keimen in ihm Hass und Eifersucht auf, die ihn schließlich zum Mord treiben. Man sieht daran: Eifersucht ist die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.  Obwohl Gott im Vorfeld Kain an die Folgen seiner Tat erinnert hat (1. Mose 4,7), liefert er ihn am Ende der Geschichte nicht seinen Rächern aus, sondern er verspricht ihm: "Wer Kain totschlägt, (das) soll siebenfältig gerächt werden." "Und der Herr machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände." (1. Mose 4,15) - Befürworter der Todesstrafe sollten sich das einmal gesagt sein lassen -. 

Wirkungsgeschichtlich bedeutsamer aber wurde ein zweiter Aspekt der Geschichte. Aus dem Satz. "Der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an" (1. Mose 4,4.5) wurde dahingehend missverstanden, dass man Abel als von Gott erwählt, Kain aber als von Ihm verstoßen ansah (vgl. hierzu: Hebräer 11,4). Die "Erwählungs- und die Vorsehungslehre" wurden hieraus entwickelt (Augustinus, Luther, Calvin, u.a.). Der große Soziologe Max Weber (1864 - 1920) sieht die protestantische Vorsehungslehre als eine der wesentlichen geistigen Grundlagen des Kapitalismus an (Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, 1905). Wer erfolgreich im Beruf ist, der ist von Gott erwählt, wer aber im Leben versagt, der steht nicht auf Gottes Heilsplan. Und dass Hitler mit dem Begriff der "Vorsehung" Schindluder getrieben hat, dürfte allgemein bekannt sein. Auch darum  lehne ich diese Lehre ab, zumal sie im krassen Gegensatz zur Lehre Jesu steht (Matthäus 6,25-27; Lukas 5,32; u.a.). 

Zugleich stelle ich mir immer wieder die Frage, ob man die Geschichte von Kain und Abel nicht auch ganz anders lesen kann. Was - so erlaube ich mir zu fragen - wenn nicht Kain der Täter und Abel das Opfer ist, sondern ursprünglich Abel der Täter und Kain das Opfer ist. Wie ein Vergleich mit babylonischen Quellentexten zeigt, darf der Satz "Gott sah an das Opfer des Einen gnädig, das des Anderen aber nicht" als stereotypische Wendung für wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg verstanden werden. Das heißt, der Bauer Kain hatte eine schwere Missernte zu beklagen, während die Herde des Schäfers Abel sich äußerst erfolgreich in der Fortpflanzung übte. Daher ging es Abel gut, Kain aber schlecht. Und wie geht Abel mit der Situation um?Tröstet er seinen Bruder? Nimmt er ihn in den Arm? Oder spricht er ihm Mut zu? Von seinem Verhalten erfahren wir nichts. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Abel seinen Bruder und dessen Schicksal weitgehend ignoriert. Überhaupt scheint er ein verhätscheltes Kind gewesen zu sein. Wie der Name "Abel" schon verrät - im Deutschen am besten mit "flüchtig, nichtig, schwächlich" zu übersetzen - , scheint er als Kind von eher schwächlicher Konstitution gewesen zu sein.

Ich kann mir gut vorstellen, dass seine Eltern ihm ihre ganze Aufmerksamkeit, ihm viel Liebe und Fürsorge geschenkt haben, während der robustere Kain mehr oder weniger sich selbst überlassen blieb. Ja, menschliche Fehlentwicklungen werden oft schon in der Kindheit grundgelegt!! Wie ich schon andeutete, handelt es sich bei 1. Mose 4,1-16 um eine Urgeschichte, das heißt, hier wird kein historisches Ereignis der Urzeit beschrieben, sondern es werden menschliche Verhaltensweisen aufgezeigt, die zu allen Zeiten gültig sind. Zu allen Zeiten gibt es die Kains und Abels dieser Welt. Die Kains stehen auf der Schattenseite des Lebens. Es sind Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft benachteiligt sind. Ein Schwarzer hat in den USA immer noch nicht die gleichen Aufstiegschancen wie ein Weißer. Und Menschen aus Regionen mit einer schwach entwickelten Infrastruktur, die durch den Klimawandel noch weiter geschwächt werden, haben kaum die Möglichkeit, einen westlichen Lebensstandart zu erreichen. Wir Abels, die wir im soliden Bürgertum verwurzelt auf der Sonnenseite des Lebens stehen, nehmen das Schicksals der Kains dieser Welt kaum wahr. Dass dadurch das Konfliktpotenzial in einer ohnehin schon labilen Welt weiter zunimmt, liegt auf der Hand. Gott nimmt Anteil am Schicksal der Kains dieser Welt. Er ermutigt sie, für ihre Lebenschancen zu kämpfen. Doch sie sollen es gewaltfrei tun. So waren es vor allem die gewaltfreien Kains, die unsere Welt nachhaltig zum Besseren verändert haben: Moses, Mahatma Gandhi, Martin Luther King und andere. Sie bewiesen die Richtigkeit des Gotteswortes, das Paulus im 2. Korintherbrief überliefert hat: "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig." (2. Korinther 12,9)

Ihnen eine gesegnete Woche!         
Albrecht Mewes

 

 

"Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr?" (Matthäus 7,3; Lukas 6,41)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, lieben Sie Märchen? Ich hoffe, Ihre Antwort lautet: Ja! Stecken sie doch voller Lebensweisheiten, die zu allen Zeiten gültig sind. Zwar geht es in ihnen so gut wie nie um Tatsachen, und dennoch sind sie immer wahr. Ich muss kein Gerichtsmediziner sein, um zu wissen, dass Rotkäppchen und ihre Oma nicht munter in der Gegend herumspringen, nachdem der Jäger sie aus dem Bauch des Wolfes befreit hat. Aber nahezu in der ganzen Welt (die Märchen der Brüder Grimm wurden 2005 von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt) malen Kinder, die Opfer eines sexuellen Missbrauchs wurden, in der Therapie das Rotkäppchen-Motiv, um so zeichnerisch das auszudrücken, was sie - völlig traumatisiert - nicht aussprechen können. Der Wolf symbolisiert dabei die übergroße Macht, der ein Kind ohnmächtig ausgeliefert ist. Märchen sind also nichts anderes als bildhafte Erzählungen, die das widerspiegeln, was jeden Mensch im Innersten bewegt: Ängste, Hoffnungen, Ver- und Misstrauen, usw..

So eignet sich auch das leider kaum bekannte Märchen vom "Meister Pfriem" (Kinder- und Hausmärchen Nr. 178) vorzüglich, um unser heutiges Bibelwort (s.o.) zu illustrieren. Meister Pfriem, ein Schuster, gehört zu jenem unangenehmen Typus der menschlichen Gattung, der an allem etwas auszusetzen hat, selbst jedoch zu nichts fähig ist. Kein Geselle hält es länger als einen Monat bei ihm aus, weil er selbst an den besten Arbeiten immer noch etwas herumzunörgeln hat. Manchmal wird er sogar gewalttätig gegen seine Mitarbeiter. Eines Tages reicht ihm der Lehrjunge einen Schuh. "Was ist das wieder?" schrie er ihn an, "habe ich euch nicht gesagt, ihr solltet die Schuhe nicht so weit ausschneiden? Wer wird einen solchen Schuh kaufen, an dem fast nichts ist als die Sohle? Ich verlange, dass meine Befehle nicht mangelhaft befolgt werden." "Meister", antwortete der Lehrjunge, "Ihr mögt wohl recht haben, dass der Schuh nichts taugt, aber es ist derselbe, den Ihr zugeschnitten und selbst in Arbeit genommen habt. Als Ihr vorhin aufgesprungen seid, habt Ihr ihn vom Tisch herabgeworfen, und ich habe ihn nur aufgehoben. Euch könnte es aber ein Engel vom Himmel nicht recht machen."   Eines Nachts nun träumt Meister Pfriem, er sei gestorben und befände sich auf dem Weg in den Himmel. Wie es seinem Naturell entspricht, begehrt er an der Himmelspforte stürmisch Einlass. "Ach, Ihr seid es, Meister Pfriem", begrüßt ihn Petrus, "ich will Euch wohl einlassen, aber ich warne Euch, dass Ihr von Eurer Gewohnheit ablasst und nichts tadelt, was ihr im Himmel seht: es könnte Euch übel bekommen."

Obwohl er Petrus daraufhin das feierliche Versprechen gibt, sich künftig zu bessern, da ja im Himmel "alles vollkommen" sei, kann Pfriem dennoch nicht aus seiner Haut. Zu sehr irritiert ihn das, was er im Himmel sehen muss. Da tragen zwei Engel einen Balken quer statt längs (es handelte sich übrigens um einen Balken, den einer im Auge hatte, während er nach dem Splitter in den Augen anderer suchte), und zwei andere schöpfen Wasser in ein durchlöchertes Fass.  Dass sie damit die Erde mit Regen tränken, sieht er nicht. Doch angesichts der Drohung des Petrus hält er sich noch zurück. Als er dann aber mit ansehen muss, wie ein mit frommen Wünschen beladener Wagen in einem Loch stecken bleibt, und zwei Engel vor und hinter dem Wagen je zwei Pferde anbinden, um ihn herauszuziehen, platzt ihm der Kragen. "Tollpatsch" entfuhr es ihm, woraufhin der Engel ihn beim Kragen packte und kurzerhand aus dem Himmel warf. Unterhalb der Pforte blickte er noch einmal zurück und sah, wie der Wagen von vier Flügelpferden aus dem Loch gehoben wurde. 

Wer nun glaubt, der Traum habe Meister Pfriem verwandelt, der sehe sich getäuscht. Er sah auch jetzt den Balken im eigenen Auge nicht (auch nicht das große Brett vor seinem Kopf), und so musste er auch weiterhin seine Minderwertigkeitskomplexe kompensieren, indem er zwanghaft nach den Splittern in den Augen seiner Mitmenschen suchte.

Ihnen eine gesegnete Zeit.

Abrecht Mewes

 

"So spricht der HERR: Wahrt das Recht und übt Gerechtigkeit; denn mein Heil ist nahe und meine Gerechtigkeit, dass sie offenbart werde." (Jesaja 56,1)

Liebe Leserinnen, liebe Leser, das heutige Bibelwort führt uns in eine Zeit, deren Umstände den über Achtzigjährigen unter uns vertraut sein dürften. Nach fast fünfzigjähriger Gefangenschaft in Babylon dürfen die Israeliten wieder in ihre Heimat zurückkehren (538 v. Chr.). Doch ihre Freude darüber weicht sehr schnell der Ernüchterung angesichts dessen, was sie dort vorfinden. Das einst "gelobte Land, in dem Milch und Honig fließen", (2. Mose 3,8) war weitgehend verwüstet und die ehemals stolzen Städte waren nahezu restlos  zerstört. Ein Leben in Trümmern, Armut und Ungewissheit im Blick auf die Zukunft bot nur wenig Anlass zur Hoffnung. Das führte übrigens auch dazu, dass ein Teil des Volkes in Babylon geblieben ist. Die letzten Nachkommen dieser Israeliten kehrten erst 1947 nach Israel zurück. Doch bleiben wir zunächst einmal bei den Rückkehrern im 6. Jahrhundert v. Chr.. Ihre hoffnungslose Lage wurde noch dadurch verschärft, dass sich in Israel inzwischen eine gemischtvölkische Oberschicht gebildet hatte, die nicht bereit war Besitz und Macht mit den Rückkehrern zu teilen. Die Gesellschaft war zutiefst gespalten, und von Gottes Heil (hebräisch: "Jeschua", daher der Name "Jesus") (Jesaja 56,1), konnten die meisten noch nicht einmal träumen, denn weder wurde das Recht bewahrt, noch Gerechtigkeit geübt. Und so dauerte es über 100 Jahre bis wieder halbwegs normale Zustände hergestellt waren. 515 v. Chr. wurde der wieder aufgebaute Tempel eingeweiht, aber erst um 430 v. Chr. war die zur Verteidigung notwendige Stadtmauer Jerusalems vollendet. Doch erst 165 v. Chr. erhielten die Israeliten ihre Souveränität zurück. Letztendlich hatte sich Gottes Verheißung dann doch erfüllt. Die Moral von der Geschichte: nur da, wo jeder Mensch ein Dach über dem Kopf hat, wo gesellschaftliche und soziale Gerechtigkeit verwirklicht sind, niemand ausgegrenzt oder übervorteilt wird, kann "Schalom" (Friede, Heil, Gerechtigkeit ) entstehen.

Ihnen eine gesegnete Zeit,
Albrecht Mewes

 

"Wie der Leib einer ist und hat doch viele Glieder, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt." (1. Korinther 12,12+13) 

Liebe Leserinnen, liebe Leser, heute dürfen wir uns einmal selbst gratulieren. Heute feiern wir nämlich unseren Geburtstag; genaugenommen aber feiern wir ihn nur dann, wenn wir Christen sind. Denn mit der Ausschüttung des Heiligen Geistes zu Pfingsten (Apostelgeschichte 2,1-13) begann die Geschichte der Kirche. Diejenigen Christen, die ohnehin am 23. Mai geboren sind, haben in diesem Jahr also einen doppelten Anlass zu feiern. Ob uns allerdings  nach der Titelreportage des aktuellen "Spiegel" (Heft 21/2021) und besorgniserregender Austrittszahlen überhaupt noch zum Feiern zumute ist, soll uns am heutigen Tag nicht interessieren. Eine angemessene Analyse muss an anderer Stelle erfolgen.
Doch lohnt es sich der Frage nachzugehen: was ist denn eigentlich die "Kirche"? Je nach Konfession fällt nämlich die Antwort höchst unterschiedlich aus. Ich beschränke mich deshalb auf unser protestantisches Kirchenverständnis. Dieses gründet sich auf einen Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief (1. Korinther 12,12-27), dem auch unser heutiges Bibelwort (1. Korinther, 12,12-13) entlehnt ist. Paulus vergleicht hier die Gemeinde Christi mit einem menschlichen Körper und die Christen mit den Gliedern dieses Körpers. Er verwendet ein Bild, das den Menschen seiner Zeit so vertraut war wie den meisten von uns die Märchen der Brüder Grimm. Geprägt wurde dieses Bild ursprünglich von einem römischen Adligen namens Menenius Agrippa (um 540 v.Chr. - 493 v.Chr.), der mit einer wirkungsgeschichtlich berühmt gewordenen Fabel Rom vor dem Untergang rettete (bzw. gerettet haben soll). Das war im Jahre 494 v.Chr. Zu jener Zeit gab es in Rom zwei Klassen von Menschen. Zum einen gab es die Patrizier, die nicht nur die Macht innehatten, sondern auch das meiste Land besaßen und über den größten materiellen Besitz verfügten. Gearbeitet, und in Kriegen die Hauptlast getragen, haben die anderen, die Plebejer, denen es im Durchschnitt natürlich bedeutend schlechter ging. Im Jahre 494 v.Chr. war das Maß voll. Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit wollten sich die Plebejer nun nicht mehr länger gefallen lassen. So verließen sie Rom und überließen die Stadt den im Kriegsfall wehrlosen Patriziern. Die erkannten den Ernst der Lage sofort und schickten ihren besten Redner zu den Plebejern, um diese zur Umkehr zu bewegen. Menenius erreichte das Ziel, indem er den Plebejern folgende Fabel erzählte: "Vor langer Zeit", begann er seine Rede,"vor langer Zeit ärgerten sich die Glieder eines Körpers fürchterlich über den Magen. "Dieser Faulpelz", schimpften sie, "dieser Faulpelz lässt sich von uns mit den schönsten Speisen und Getränken bewirten, macht es sich in der Mitte des Körpers bequem und denkt gar nicht daran, auch einmal etwas für uns zu tun. Es ginge ihm mit Sicherheit nicht so gut, wenn wir ihm unseren Dienst verweigerten." Gesagt - getan. Die Hände beschlossen, künftig keine Nahrung mehr zum Mund zu führen, die Zähne weigerten sich zu kauen, und die Speicheldrüsen stellten ihre Produktion ein. Eine gewisse Zeit lang herrschte Genugtuung darüber, es dem Magen einmal so richtig gezeigt zu haben. Doch schon nach kurzer Zeit bekamen die Glieder zu spüren, wie dumm sie doch gehandelt hatten. Weil nun dem Herzen die Stoffe fehlten, die der Magen normalerweise durch die Verdauung freisetzt, hatte es nicht mehr genügend Kraft, um das Blut an jeden Punkt des Körpers zu pumpen. Nach und nach wurden daher alle Glieder von einer tödlichen Schwäche befallen. Da erkannten sie, wie wichtig die Tätigkeit des Magens war. Sie gingen wieder an ihre Arbeit und der Körper wurde wieder gesund." "Genau so ", schloss Menenius seine Rede, "genauso verhält es sich mit euch Plebejern und uns Patriziern. Was ihr für uns tut, haben wir immer anerkannt, aber ich wünsche mir, dass auch ihr erkennt, wie wichtig unsere Arbeit für euch ist. Ohne unsere Leistung im Bereich der Verwaltung und Organisation könnte unsere Stadt nicht exsistieren. Daher bitte ich euch, nach Rom zurückzukehren." Die Plebejer ließen sich von Menenius überzeugen, kehrten wieder nach Rom zurück, und die Stadt war gerettet.
Paulus greift diese Fabel des Menenius auf, verändert sie aber entscheidend. Die Botschaft des Menenius lautete: Schuster bleib´ bei deinen Leisten. Die Einteilung der Welt in "Oben und Unten", in Mächtige und Untergebene, usw. ist selbstverständlich und darf nicht aufgegeben werden. Demgegenüber betont Paulus, dass in der christlichen Gemeinde andere Spielregeln gelten. Da alle Christen von einem Geist erfüllt sind (1. Korinther 12,4.12) gibt es kein "Oben und Unten" mehr. Die Glieder einer Gemeinde begegnen sich auf Augenhöhe, auch wenn die Begabungen unterschiedlich verteilt sind. Die Christengemeinde ist eine Basisdemokratie. Unsere "Presbyterien", "Kirchenvorstände", oder wie immer man sie nennt, folgen dem paulinischen Vorbild. Und als Gemeinschaft auf Augenhöhe tragen wir dazu bei, dass unsere Welt menschlicher wird. Das Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde Goch hat nicht nur den Neubau unseres Gemeindehauses (Eröffnung am 11.und 12. September!!!) beschlossen, sondern es von vornherein als "Quartierhaus" konzipiert. Das heißt, es steht nicht nur unseren Gemeindegliedern offen, sondern es wird ein Begegnungshaus für alle Gocher Bürger sein. Das nenne ich - auch im Sinne des Paulus - eine gelebte Demokratie.

Ihnen eine gesegnete Pfingstwoche,
Albrecht Mewes

"Unser Leben währet siebzig Jahre und wenn´s hoch kommt, so sind´s achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe, denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon."  (Psalm 90,10)

Liebe Leserinnen und Leser, die Älteren unter Ihnen dürften dieses Psalmwort anders in Erinnerung haben: "Unser Leben währet siebzig Jahre und wenn´s hoch kommt, sind´s achtzig Jahre, und wenn´s köstlich gewesen ist, so ist´s Mühe und Arbeit gewesen." Luthers reformatorische Erkenntnis, dass wir Gott Glauben schuldig sind, unserem Nächsten  aber Liebe, die sich in Pflichterfüllung und Übernahme von Verantwortung konkretisiert, hat ihn veranlasst, unser Bibelwort neu zu deuten. Und der lutherische Satz ist vielen Protestanten in Mark und Bein übergegangen. So verwundert es wohl niemanden, dass auf dem Grabstein eines meiner Großväter der Satz zu lesen war: "Müh´ und Arbeit war sein Leben". "Müh´ und Arbeit" - zuvor mit  eher  negativen Vorstellungen verbunden - sind seit der Reformation die herausragenden Tugenden eines wahren Christenmenschen. Sehr schön verdeutlicht dies eine Anekdote aus dem 19. Jahrhundert. Ein pensionierter preußischer Beamter liegt im Sterben. Da erreicht ihn - gerade noch rechtzeitig - ein berittener Bote des Königs und überreicht ihm den preußischen Verdienstorden 4. Klasse. Glücklich und beseelt haucht der Sterbende mit den Worten: "Ich habe nicht umsonst gelebt" sein Leben aus.
Eine solche Sichtweise ist dem Beter des 90. Psalms fremd. Zwar beschwört er Gott am Ende seines Gebets: "Fördere das Werk unserer Hände" (Psalm 90,17), doch scheint er menschliches Mühen eher als "Plackerei" empfunden zu haben. Unwillkürlich fühlt man sich an Gottes Strafspruch gegen Adam nach dessen "Sündenfall" erinnert: "Verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück." (1. Mose 3,17-19)  Hier hört man nichts von einer Glorifizierung von "Müh´ und Arbeit ". Seit der Vertreibung aus dem Garten Eden bestimmen der Kampf gegen die Trockenheit der Wüste und Wassermangel das Leben, welches angesichts der Ewigkeit Gottes auch noch äußerst kurz ist. 70 - 80 Jahre alt (Psalm 90,10) wurde damals übrigens fast keiner. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag bei 40 Jahren. Eine wirklich positive Perspektive scheint daher dieses mühselige, qualvolle und darüber hinaus auch noch viel zu kurze Leben kaum zu bieten. Zuflucht soll der Mensch darum beim ewigen Gott suchen (Psalm 90,1). Wer sich von ihm leiten lässt, findet das erfüllte Leben. Darum empfiehlt der Beter: "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen (wörtlich: lehre uns, unsere Tage zu zählen), auf dass wir klug (wörtlich: weise) werden." (Psalm 90,12) Mögen daher nicht nur Fleiß und Tüchtigkeit (Müh ´und Arbeit), sondern auch Weisheit und Umsicht unser Leben bestimmen.

Ihnen eine gesegnete Zeit!
Albrecht Mewes 

"Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel." (Lukas 24,51)

Kann der moderne Mensch mit dem Begriff "Christi Himmelfahrt " noch irgendetwas anfangen? Wenn wir ehrlich vor uns selbst sind, müssen wir diese Frage wohl verneinen. Sieht man einmal von den Scharen der Männer ab, die diesen Tag feucht-fröhlich ohne jeglichen Religionsbezug als "Vatertag" begehen, dürften auch die wohlmeinendsten Menschen am Rande christlicher Kerngemeinden große Schwierigkeiten mit dem "Himmelfahrtstag" haben. Mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden haben wir versucht, uns dem christlichen Verständnis des Wortes "Himmel" zu nähern. Zunächst einmal stellten wir fest, dass es im Englischen dafür zwei Begriffe gibt: "Sky" und "Heaven". "Sky" bezeichnet den "Himmel über uns", also den Luftraum, "Heaven" dagegen den "Bereich Gottes". Genau genommen müsste man auch noch den Begriff "Space" hinzunehmen, da wir im Deutschen gewohnt sind, auch den "Weltraum" als "Himmel" anzusehen. Doch da beginnen schon die Verständnisprobleme. Den Himmel "oben" und die Erde "unten" zu verorten, verbietet sich angesichts heutiger Erfahrungen. Für einen Menschen, der auf dem Mond steht, ist die Mondoberfläche "unten", die am Mondhimmel sichtbare Erde hingegen "oben". Überhaupt sind nach Einstein in der gekrümmten Raumzeit (Allgemeine Relativitätstheorie) Begriffe wie "oben" und "unten" völlig unangemessen, da sich alles im Universum "relativ" zueinander verhält. Mit anderen Worten: die "Himmelfahrt Christi" ist vielen modernen Zeitgenossen nur noch als "mythologisches Bild" verständlich. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dieses Bild in unsere heutige Sprache zu übersetzen.
Warum sprechen wir nicht einfach vom "Bereich Gottes"? Der "Himmel" - im christlichen Sinne - ist da, wo Gott uns ganz nah kommt. "Christi Himmelfahrt" heißt dann nichts anderes, als dass Christus aus einem gottesfernen Umfeld wieder zu Gott zurückkehrt. Allen denen aber, die ihm gefolgt sind und die ihm noch folgen werden, bleibt er nahe: im Glauben, im Gebet und in der Versammlung der gläubigen Gemeinde.  Diejenigen aber, die nach Gottes Geboten leben und durch ihr christliches Lebensvorbild Menschen verändern, lassen schon hier auf der Erde etwas von Gottes Welt durchscheinen. Dass dies gar nicht so schwer ist, versuche ich häufiger Brautpaaren in meiner Trauansprache plausibel zu machen, und zwar in Form einer rabbinischen Legende aus dem alten Russland.
In der Legende bittet ein Rabbi Gott darum, einmal den Himmel und die Hölle sehen zu dürfen. Gott erklärt sich damit einverstanden und gibt dem Rabbi, damit er sich nicht verläuft, zur Sicherheit den Propheten Elia als Führer mit. Elia führt den Rabbi zunächst in einen großen Raum, in dessen Mitte ein Feuer brennt. Auf dem Feuer steht ein Topf mit einem wunderbaren Essen drinnen. Rings um diesen Topf herum sitzen Leute, alle mit langen Löffeln in der Hand. Aber obwohl das Essen herrlich duftet und sowohl schmackhaft, als auch kalorienreich ist, sehen die Leute alle mager, blass und elend aus. Die Stiele ihrer Löffel sind nämlich so lang, dass sie, was auch immer sie versuchen, nicht in der Lage sind, dass wunderbare Essen in den Mund zu bekommen. Als die Besucher wieder draußen sind, fragt der Rabbi den Propheten, was das für ein seltsamer Ort gewesen sei. Es war die Hölle. Gleich darauf führt Elia den Rabbi in einen zweiten Raum, der äußerlich haargenau so aussieht wie der erste. Auch hier brennt in der Mitte ein Feuer, und auch hier steht auf dem Feuer ein Topf mit einem köstlichen Essen drinnen. Und auch hier sitzen Leute rings um den Topf herum, alle mit langen Löffeln in der Hand. Aber diese Leute sind alle wohlgenährt, sehen gesund und glücklich aus. Warum? Nun, sie versuchen erst gar nicht sich mit den langen Löffeln selbst zu füttern, sondern sie benutzen sie dazu, sich gegenseitig zu essen zu geben. Dieser Raum war natürlich der Himmel.   
So leicht kann man den Himmel auf die Erde holen.
So wünsche ich Ihnen - nicht nur in der Himmelfahrtswoche, sondern überhaupt - eine himmlische Zeit hier auf der Erde   

Albrecht Mewes

 

"Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen." (Römer 13,1-2)

Am kommenden Samstag jährt sich zum 76. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Zerstörte Städte, Flucht und Vertreibung sowie 62 Millionen Tote waren die Folge. In Asien, wo der Krieg vier Monate länger andauerte, leiden noch heute viele Menschen an den Folgen radioaktiver Strahlung, die die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki über sie gebracht haben, und auch die seelischen Wunden, die der Krieg schlug, sind  nicht alle verheilt. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, lag unter anderem auch am Missbrauch des Bibelwortes, welches ich für diese Woche ausgesucht habe (s.o.). Hitler, der Urheber des Krieges, wusste, dass ein Großteil des deutschen Volkes dieses Bibelwort völlig verinnerlicht hatte. Nahezu 2/3 der Deutschen waren evangelisch, und die meisten von ihnen dürften es im Konfirmandenunterricht auswendig gelernt haben. Unbedingte Loyalität zur Staatsführung war für viele deshalb eine Selbstverständlichkeit, und der Soldateneid, den man der Regierung schwor (nicht wie heute auf die Verfassung), besaß eine geradezu heilige Qualität. Schon Martin Luther zog unser Bibelwort heran, um damit seine überharte Haltung gegenüber den aufständischen Bauern im Bauernkrieg (1524-1526) zu rechtfertigen. Der Staat habe - so Luther - die Aufgabe, die Schöpfungsordnung vor dem Rückfall ins Chaos zu bewahren. Dazu braucht er zwei wirkungsvolle Machtmittel: die Polizei (für die innere Sicherheit) und das Militär (zum Schutz vor der Bedrohung von außen). Wer sich gegen den Staat erhebt, bedroht deshalb die von Gott geschaffene Ordnung. Ähnlich argumentierte noch im Juni 1938 Dietrich Bonhoeffer. Solange ein Staat nicht dem Bild des Antichristen entspricht (Offenbarung des Johannes, Kapitel 13!), habe niemand das Recht gewaltsam gegen ihn vorzugehen. Als dann aber am 9. November 1938 die Synagogen brannten und einige seiner guten Freunde getötet wurden, änderte sich seine Haltung. Und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges entschloss er sich endgültig zum Widerstand. Bereits um die Jahrhundertwende hatte Leo XIII in einer seiner Enzykliken gefordert: wenn der Staat nicht mehr Recht und Ordnung schützt, "dann ist Widerstand Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen" (Papst Leo XIII, Papst von 1878-1903). Im März 1943 scheiterte einer von insgesamt 40 Attentatsversuchen  gegen Hitler. Obwohl er am Attentatsversuch seiner Freunde nicht aktiv beteiligt war, fand die Gestapo in Bonhoeffers Wohnung die Umsturzpläne. Bonhoeffer wurde daraufhin verhaftet und am 09.04.1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.

Soviel zu den Auswirkungen der Sätze aus dem Römerbrief. Aber welchen Zweck verfolgte Paulus ursprünglich mit solchen Aussagen? Nun, Paulus hatte mit zunehmender Sorge beobachtet, dass etliche Christen die Auffassung vertraten, aufgrund ihres Glaubens seien sie die besseren Menschen und deshalb ihrer heidnischen Umwelt weit überlegen. Das machte sie bei den Griechen und Römern äußerst unbeliebt. Und das zurecht. Schließlich hatten die Griechen bis zum Jahre 57 n.Chr.(wahrscheinlicher Zeitpunkt der Abfassung des Römerbriefes) die größten Denker des Altertums hervorgebracht und die Römer die höchst entwickelte Infrastruktur. Was bildeten sich diese religiösen Sektierer eigentlich ein?  Auch die zunehmend negativere Einstellung seiner Christen zum Staat bereitete Paulus zunehmend Kopfschmerzen. Dabei war der römische Staat bis zum Jahr 57 n. Chr. religionstoleranter als alle Staaten zuvor. Juden und Christen konnten ihren Glauben frei und unbehelligt ausleben. Das änderte sich erst nach dem Großbrand von Rom am 19.Juli 64 n. Chr., als Nero einen Sündenbock für seine verfehlte Krisenpolitik brauchte. Zur Zeit des Römerbriefes aber war die Welt noch in Ordnung. Die Gefahr, die mit dem arroganten Auftreten verbunden war, sah er aber überdeutlich. Und so stellt er in Römer 12,17-21; 13,1-7 Forderungen auf, die - wie ich finde - auch heute noch gültig sind. Paulus fordert die Gemeinde von Rom auf, sich nicht von der heidnischen Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen, also keine Parallelgesellschaft zu bilden. "Integriert euch in die Gesellschaft!", könnte sein Appell heute lauten.  Zum Zweiten ruft er die Gemeinde zur Loyalität gegenüber dem Staat auf, weil zunächst einmal jeder Staat die göttliche Schöpfungsordnung aufrechterhält. Paulus orientiert sich hier am antiken Herrschaftsideal. Die Tatsache, dass jeder Staat auch zum Unrechtsstaat pervertieren kann, blendet er bewusst aus. Da die römische Gemeinde die einzige seiner Briefadressaten ist, die er nicht persönlich gegründet oder zumindest kennengelernt hat, weiß er natürlich auch nicht, wer alles diesen Brief mitliest. Und das in unmittelbarer Nähe zum Zentrum der Macht.   Aus der vorgetragenen Argumentation dürfte ersichtlich sein, dass man darum den guten Paulus nicht verantwortlich machen kann für den Missbrauch, der in späteren Zeiten mit seinen Aussagen getrieben wurde.

Ihnen eine gesegnete Zeit,
Albrecht Mewes 

 

"Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte." (1. Mose 2, 15)

Am kommenden Samstag feiern wir wieder den "Tag der Arbeit". Ich möchte im Blick auf diesen Feiertag Ihnen gerne zwei Fragen stellen. 1) Wissen Sie, wer in Deutschland den "Tag der Arbeit" als Feiertag einführte? Und 2): Wissen Sie, wem wir - vor allem in Deutschland - die fast religiöse Hochschätzung der Arbeit zu verdanken haben?     

Zu 1) Antwort: Adolf Hitler. Was den Sozialdemokraten und den Kommunisten nie gelungen war, ermöglichte Hitler per "Führererlass". Am Montag, den 01. Mai 1933 durfte sich der deutsche Arbeiter erstmals selbst feiern, und der Tag schloss mit einer Riesenkundgebung (mehr als 1 Millionen Teilnehmer) auf dem "Tempelhofer Feld" in Berlin. Das hinderte Hitler aber nicht daran, einen Tag später die Gewerkschaften aufzulösen, und mit dem "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" vom 20. Januar 1934 den deutschen Arbeiter weitgehend zu entmachten. 

Zu 2) Antwort: Martin Luther. Luthers reformatorische Erkenntnis, führte zu einer "arbeitsethischen Revolution". Bis dahin galt die Arbeit bestenfalls als ein "notwendiges Muss". Im alten Griechenland verachtete man die Arbeit als Beschäftigung für Sklaven oder Angehörige niedriger Schichten. Der freie Grieche dagegen braucht Muße, um in sich Ruhe dem Denken und der Kultur widmen zu können. Auch die Römer, eigentlich die Pragmatiker des Altertums, überließen beschwerliche Arbeiten lieber den Sklaven. In eine ganz andere Richtung weist unser Bibelwort (s.o.). Hier erschafft Gott den Menschen mit der Maßgabe, dass er die ihn umgebende Umwelt eigenverantwortlich verwalten soll. Und das Mittel dazu ist natürlich die Arbeit. Zum richtigen Verständnis der Erzählung von der Erschaffung Adams und Evas und ihres Lebens im "Garten Eden" ( 2. Mose 2,4b - 3,24) muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht um einen historischen Bericht handelt, sondern um eine "Urgeschichte". Das heißt, es wird uns hier vor Augen gehalten, was fundamental zur menschlichen Existenz gehört. Wir sind "Adam und Eva", und wer ehrlich zu sich selbst ist, wird im Verhalten von Adam und Eva etliche Parallelen zum eigenen Leben finden. Fundamental sind daher auch die Aussagen zur "Arbeit". Der "Garten Eden" ist kein "Paradies" und schon gar kein "Schlaraffenland", in dem alles in Hülle und Fülle wächst, so dass ich zu dessen Erhalt keinen Finger rühren muss. Im Gegenteil. Beim "Garten Eden" handelt es sich um einen fruchtbaren Garten, der von einer lebensfeindlichen Wüste umgeben und von ihr ständig bedroht ist (lokalisierbar im Gebiet des heutigen Irak). Weigert sich der Mensch ("Adam" heißt auf Deutsch: "Mensch") den Garten zu bearbeiten, gefährdet er seine eigene Existenz. Adam soll den Garten "bebauen und bewahren". Ein ökologisch verantwortliches Arbeiten ist damit zwingend vorausgesetzt. Man könnte unser Bibelwort daher auch so lesen: "Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, auf dass er ihn bewahre, indem er ihn bebaut." So dürfen wir getrost die Erzählung von Adam und Eva (1.Mose 2,4b - 3,24) neben den Schriften von Alexander von Humboldt, dem "Club of Rome" ("Grenzen des Wachstums", 1969) und Herbert Gruhls ( "Ein Planet wird geplündert", 1975) auch zu den Klassikern der "Umweltliteratur" zählen.

Martin Luther verband die fundamentaltheologischen Aussagen von 1. Mose 2,4b - 3,24 mit der reformatorischen Erkenntnis, dass sich der Mensch vor Gott keine Verdienste erwerben müsse, da Jesus mit seinem Kreuzestod alle unsere Verfehlungen gegen Gott abgetragen habe. Darum muss der Mensch nicht ins Kloster gehen, der Welt entsagen, auf die Ehe verzichten und in Armut leben, um Gott recht zu sein. Der Mitmensch, ist der Prüfstein wahren Glaubens. Fleiß, Pflichterfüllung und Zuverlässigkeit sind darum wirklich evangelische Tugenden. Die Milchmagd, die ihren Dienst gewissenhaft erfüllt, leistet darum Gott gegenüber denselben Dienst wie der Priester vor dem Altar. Luther hat so die Arbeit "heiliggesprochen.

Ihnen eine gesegnete Zeit.   
Albrecht Mewes

 

"Gott sprach zu Noah: Siehe ich richte mit euch einen Bund auf und mit euren Nachkommen und mit allem lebendigen Getier, dass hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe." (1. Mose 9,9-11)

Ist einem Kind, das vor der Taufe stirbt, der Weg in den Himmel versperrt? Über viele Jahrhunderte haben die Menschen diese Frage mit "Ja" beantwortet. In der Regel wurden Kinder daher am Tag nach der Geburt getauft, so beispielsweise der am 10.11.1483 geborene Martin Luther. Da der 11. November zugleich dem heiligen Martin gewidmet war, wurde er nach ihm "Martin" genannt. Ludwig van Beethovens Geburtsdatum ist unbekannt. Weil er aber am 17. Dezember 1770 getauft wurde, geht man im Allgemeinen davon aus, dass er am Tag zuvor, also am 16. Dezember 1770 geboren ist. Nun werden Sie sich mit Recht fragen: "Warum diese Eile?" Und die Frage ist mehr als berechtigt, hat doch ein kleines Kind noch keine Schuld auf sich geladen, und schließlich ist doch jedes Kind ein "Gedanke Gottes" und "keine Laune der Natur", wie es in dem bekannten Kinderlied heißt. In der Tat ist jedes Kind ein "von Gott gewolltes Kind". Die "Taufe" erfüllt deshalb eine andere Funktion. Durch sie wird ein Mensch in den "Bund" aufgenommen, den Gott mit den Menschen geschlossen hat. Der im Losungswort angesprochene Bund mit Noah (s.o.) war der allererste und galt der gesamten Menschheit. Gott spricht der Menschheit seinen Beistand in Krisenzeiten zu, obwohl dieser sich niemals ändern wird. "Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf", resümiert Gott am Ende der Sintflut (1. Mose 8,21). Dem ersten Bund folgt ein zweiter mit Abraham (1. Mose 15 und 17), der bereits seinen Nachkommen gilt, und schließlich der Sinai - Bund, der durch die Gabe der Gesetzestafeln eine rechtliche Absicherung erfährt ( 2. Mose 20, 1-21; 34, 1-28). Der Mensch, der den Willen Gottes erfüllt und sich damit "bundesgemäß" verhält, der ist gerecht vor Gott. "Gerechtigkeit" und "Bundestreue" sind austauschbare Begriffe. Aufschlussreich für das alttestamentliche Verständnis von "Bundestreue" und "Gerechtigkeit" ist die Geschichte von Juda und Tamar, die uns in 1. Mose 38 überliefert ist.       Juda hatte drei Söhne: Ger, Onan und Schela. Da Ger dem HERRN missfiel, ließ er ihn sterben. Da damit der Bestand des Stammes "Juda" gefährdet war und der Bund Gottes mit ihm nicht hätte aufrecht erhalten werden können, fiel nun dem zweiten Sohn Onan die Aufgabe zu, Tamar zur Frau zu nehmen. Weil der aber wusste, dass er die Kinder aus dieser Beziehung nicht hätte behalten dürfen, weigerte er sich, Kinder zu zeugen und wurde deshalb auch mit dem Tode bestraft. Nun wäre der dritte Sohn "Schela" an der Reihe gewesen. Doch der war noch viel zu jung und Tamars biologische Uhr tickte. Als gottesfürchtiger Frau war  Tamar sehr daran gelegen, den Bestand des Stammes "Juda" zu sichern, damit Gottes Bund mit allen zwölf Stämmen Israels aufrecht erhalten werden konnte. Um nicht auch noch seinen jüngsten Sohn zu verlieren, war aber Juda nicht besonders daran interessiert, ihn nun auch noch der Gefahr eines frühen Todes auszusetzen. Da hatte Tamar nach dem Tod der Frau ihres Schwiegervaters die rettende Idee. Als der zur Zeit der Schafschur auf dem Weg zur Weide war, verführte sie ihn - als Prostituierte verkleidet - kurzerhand. Als Bezahlung versprach Juda ihr ein Tier aus seiner Herde und übergab ihr als Pfand sein Siegel, seine Schnur und seinen Stab. Nach bundesdeutschem Rechtsverständnis verstieß Tamar mit ihrem Verhalten gleich gegen mehrere Paragrafen unseres Strafgesetzbuches: unerlaubte Prostitution, Vortäuschung falscher Tatsachen und damit unrechtmäßiger Erwerb fremden Eigentums. Vor dem Hintergrund unseres Rechtsverständnisses handelte sie ungerecht. Alttestamentlich hingegen verhielt sie sich völlig korrekt. Als herauskam, dass Tamar schwanger war, sollte sie verbrannt werden. Doch da sie Judas Pfandgaben vorweisen konnte und das Motiv ihres Handels erkennbar war, wurde sie rehabilitiert. Sie hatte den Bund Gottes mit einem der zwölf Stämme Israels gerettet, und Juda sprach den entscheidenden Satz aus: "Sie ist gerecht, ich nicht; denn ich habe sie meinem Sohn Schela nicht gegeben". So war der Grundstein für die weitere Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen gelegt. König David stammte ebenso von Juda ab wie Josef, der Vater Jesu.

Ihnen eine gesegnete Zeit.
Albrecht Mewes

 

"Fällt euch Reichtum zu, so hängt euer Herz nicht daran." (Psalm 62,11) Denn: "Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz" (Matthäus 6,21)

"Zum Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach, wir Armen!", lässt Johann Wolfgang von Goethe Gretchen in seinem berühmten Meisterwerk, dem "Faust", sprechen. Ich finde, der Mann hat recht. Schauen wir uns unvoreingenommen in der Welt um, so stellen wir fest: Geld regiert wirklich die Welt. Es bestimmt nicht nur den allgemeinen Wohlstand, sondern auch den Marktwert von Künstlern, ja sogar unser Ansehen in der Gesellschaft. Wer sich keine teure Markenkleidung leisten kann und auch sonst keine nennenswerten Statussymbole vorzuweisen vermag, sinkt unwillkürlich im Ansehen der Anderen, ob das nun den Menschen bewusst ist, oder auch nicht.    Wir Pfarrer neigen ja dazu, die Außenwelt symbolisch zu verstehen. Die äußerlich wahrnehmbare Wirklichkeit ist uns häufig ein Hinweis auf die innere Befindlichkeit der Menschen. So fällt mir beispielsweise auf, dass vor hundert Jahren das "Ulmer Münster" mit 161 Metern das höchste Gebäude in Deutschland war. (Es ist übrigens nach wie vor die höchste Kirche der Welt.) Diese Kirche ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Verehrung Gottes. Heute gilt der Commerzbank - Tower in Frankfurt am Main (Hauptsitz des gleichnamigen Geldinstituts)  mit 261 Metern als höchstes deutsches Gebäude. Symbolisch betrachtet folgt daraus: das Geld hat Gott vom ersten Platz verdrängt. Trotz all´ dessen, was ich bisher geschrieben habe, müssen Sie nicht befürchten, dass ich nun zu einer christlichen "Kapitalismuskritik" anhebe. Ganz im Gegenteil: in der Bibel wird der Reichtum keineswegs verurteilt. Zu den Segnungen, die Gott Abraham, Isaak und Jakob zuteil werden ließ, gehörten neben einem langen Leben und einer großen Nachkommenschaft, eben auch Reichtum und Sorglosigkeit im zugesagten gelobten Land.  Auch im Neuen Testament werden Reichtum und Wohlstand nicht verteufelt. Der Einwand christlicher Sozialisten, Jesus habe doch den reichen Jüngling aufgefordert, seinen gesamten Besitz den Armen zu geben, um ihm in Armut bedingungslos zu folgen (Matthäus 19,21; Markus 10,21; Lukas 18,22), erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht angemessen. Zwar kommt Jesus, nachdem der reiche Jüngling nicht bereit ist, den gesicherten Wohlstand zugunsten einer unsicheren Nachfolge Jesu aufzugeben (Matthäus 19,22; Markus 10,22; Lukas 18,23), zu der geradezu resignierenden Erkenntnis: "Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme" (Matthäus 19,24; vgl. Markus 10,25 und Lukas 18,25), doch darf auch das nicht als Ablehnung jeglichen Wohlstandes missverstanden werden.  Auch der Hinweis auf die "sozialistische Gütergemeinschaft" der Jerusalemer Urgemeinde überzeugt nicht (siehe Lukas 2,44; 4,32-36). Was aber ist dann am Reichtum problematisch? Unsere Losungsworte (s.o.) geben darauf eine klare Antwort. Nicht der Reichtum an und für sich stellt das Problem dar, sondern der Umgang mit ihm. Wenn das Geld und der Besitz zum alleinigen Lebenszweck erhoben werden, gerät das Leben selbst in eine Schieflage. "Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott". Mit diesen Worten fasste Luther zusammen, worum es in unserer heutigen Betrachtung geht. Welchen Sinn hat mein Leben, wenn ich über das Geld - Verdienen und die Absicherung meines Besitzes meine Familie vernachlässige oder gar vergesse, und wenn mein Leben trotz äußeren Wohlstands mich doch innerlich verkümmern lässt?    In Jesu Nähe bedurfte es keiner Existenzabsicherung. Doch das Wissen, von Gott geliebt und angenommen zu sein, machte die Jünger reich.  Wer Jesus nachfolgt, gewinnt innere Stärke und ein wirklich erfülltes Leben. Das ist Jesu Botschaft an den reichen Jüngling. Das aber eine sinnvolle Existenzabsicherung in der Zeit , wo Jesus nicht auf der Erde lebt, notwendig ist, beweist der Blick auf die Jerusalemer Urgemeinde. Die teilte zwar alle Konsumgüter gerecht auf, verfügte aber über keine Produktionsmittel. Das hatte zur Folge, dass die Gemeinde notorisch pleite war. Hätten nicht die reichen Paulusgemeinden ihr ständig mit großzügigen Spenden unter die Arme gegriffen (vgl. 2. Korinther 8 und andere Stellen in den Paulusbriefen) (diesen "Reichen" wäre das Tor zum Himmel sicherlich nicht verschlossen geblieben s.o.) , die Jerusalemer Urgemeinde wäre schon nach kurzer Zeit Geschichte gewesen.   

Ihnen eine gesegnete Zeit.
Albrecht Mewes

 

„Jesus spricht: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ (Johannes 14,19) Denn: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ (Johannes 11,25-26a)

Als Militärpfarrer führte ich regelmäßig sogenannte „Rüstzeiten“ durch. Die Katholiken würden sie „Exerzitien“ nennen, ich nenne sie in diesem Artikel der besseren Verständlichkeit halber „Besinnungstage“. Eine dieser Veranstaltungen (eine Osterrüstzeit) widmete sich der Frage: „Gibt es ein Leben vor dem Tod?“    Einhellige Meinung meiner Soldaten: „So eine dusselige Frage kann auch nur ein Pastor stellen.“  Doch, ist diese Frage wirklich so „dusselig“? Ich kenne so einige, die sehr alt geworden sind, aber niemals gelebt haben, obwohl sie überaus erfolgreich und recht vermögend waren. Diese Beobachtung führt zu der weitergehenden Frage: „Was ist denn „Leben“ im Vollsinn des Wortes?“ Ein Blick auf die Ergebnisse der modernen Psychoanalyse gibt darauf eine überzeugende Antwort. Sie unterscheidet nämlich zwischen dem „befriedigten Leben“ und dem „erfüllten Leben“. Ersteres ist das Leben, welches uns die Werbung als „erstrebenswert“ vorgaukelt, getreu dem Motto: mein Haus, mein Auto, mein Boot. Nicht sein Charakter, nicht seine Liebenswürdigkeit, nicht seine Zuverlässigkeit oder die Liebe zu seiner Familie bestimmen den Wert eines Menschen, sondern ein gut gefülltes Bankkonto, die Anhäufung meist überflüssiger Konsumgüter und das Tragen oft überteuerter Markenkleidung. Hast du was, dann bist du was.        Das „erfüllte Leben“ ist dem gegenüber kostenlos, aber unerreichbar wertvoll. Fröhliches und ansteckendes Kinderlachen, die aufrichtige Zuneigung  des Partners, der Freunde und  Kollegen und vor allem die innere Ausgeglichenheit machen das Leben reich. Wenn Jesus vom „Leben“ spricht (s.o.), denkt er ausschließlich an das „erfüllte Leben“ (siehe auch: Matthäus 6,25-29). Und „Leben“ ist bei ihm immer „ewiges Leben“. Und das beginnt nicht erst nach dem Tod. Die Kinder der Soldaten, die an den Besinnungstagen über Ostern teilnahmen – Besinnungstage waren stets Familienfreizeiten -, sollten Bilder malen, die ihre Vorstellung vom ewigen Leben widerspiegelten.  Nahezu alle malten einen Paradiesgarten. Durchquert wurde dieser von einem breiten Coca-Cola Fluss, die Bäume trugen nicht nur herrliche Früchte, sondern natürlich auch Haribo Goldbärchen und Nutella-Gläser, und selbstverständlich war  weit und breit keine Schule zu sehen. Kurz und gut: der Paradiesgarten entsprach einem kindlicher Phantasie entsprungenem Schlaraffenland. Auch wenn die Vorstellungen der Erwachsenen sich davon deutlich unterschieden, eines hatten sie mit den Kindern gemein: das „ewige Leben“ begann für beide Gruppen erst nach dem Tod.       Die beiden Bibelworte aus dem Johannesevangelium (s.o.) weisen in eine andere Richtung. Das „ewige Leben“ beginnt eben nicht erst nach dem Tod, sondern mitten im irdischen Dasein. Wenn ich zum Glauben an Jesus Christus komme, lebe ich in Ewigkeit. „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurch gedrungen.“ (Johannes 5,24)

Aus dieser Zusage haben viele Menschen die Kraft gefunden, auch schwerste Krisen durchzustehen. Der Glaube an Jesus Christus bedeutet Orientierung fürs Leben auch über den Tod hinaus. Möge er auch Ihnen ein Weg sein zu einem vollen, ja erfüllten Leben.

Ihnen eine gesegnete Osterzeit
Albrecht Mewes

 

„Christus hat gelitten, ein für allemal um der Sünde willen, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führe.“ (1. Petrus 3,18)

Im alttestamentlichen Buch „Jesaja“ ist von einem „Gottesknecht“ die Rede, der im Auftrag Gottes stellvertretend die Schuld des Volkes auf sich nimmt, um es für alle Zeit mit Gott zu versöhnen. „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53,4-5). Schon bald nach Tod und Auferstehung Jesu übertrug man die Aussagen über den Gottesknecht auf Jesus. So wie jener hat auch er die Schuld der Menschen auf sich genommen und ist stellvertretend für sie in den Tod gegangen. Bereits das älteste erhaltene Christuslied (Philipper 2,6-11) bezeugt dies. Paulus greift die Thematik auf und macht sie zur Grundlage seiner Aussagen über die „Rechtfertigung des Sünders (allein) aus Glauben.“ „Den (Christus) hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, … und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.“ (Römer 3,25.26b). Wer glaubt, das Jesus am Kreuz für uns verstorben ist, der ist mit Gott versöhnt (Römer 5,1; vgl. auch Kolosser 1,19-20). Auch unser Losungswort (1.Petrus 3,18) gehört in diese Glaubenstradition. Durch Martin Luther wurde sie zum Hauptbestandteil protestantischen Glaubens. Doch einem Buddhisten ist eine solche Glaubensauffassung völlig fremd. „Wie?“, würde er fragen,“ wie kann jemand die Schuld eines anderen auf sich nehmen? Jeder ist schließlich für sein Schicksal selbst verantwortlich.“ Ich pflege darauf mit zwei Beispielen zu antworten.

1) Nach einem Fluchtversuch aus dem KZ Auschwitz sollte eine bestimmte Anzahl von Gefangenen hingerichtet werden. Unter den zum Tode Verurteilten war auch ein polnischer Familienvater. Er flehte um sein Leben, weil er doch eine Verpflichtung gegenüber seiner Familie habe. Als alles Bitten nichts half, bot sich der Priester Maximilian Kolbe an, stellvertretend für den Familienvater die Strafe auf sich zu nehmen. Dem Ansinnen wurde stattgegeben. Maximilian Kolbe starb wenige Tage später im Kerker. Der Familienvater aber durfte noch 50 Jahre leben.

2) Eine legendenhaft eingefärbte Begebenheit aus dem Kaukasus möchte ich als zweites Beispiel anführen. Vor etwa 300 Jahren kam es häufig zu kriegerischen Fehden zwischen den dort lebenden Stämmen. Einer von ihnen ging dabei meist siegreich hervor. Befragt nach dem Grund ihrer Erfolge verwiesen die Stammesangehörigen auf ihren Anführer, einen Mann namens Schemil. Weil er so beispiellos gerecht war, hatten sie ihm den Beinamen „der Gerechte“ verliehen. Doch dann kam es eines Tages zu einem schwerwiegenden Zwischenfall. Einem der Gefolgsleute fehlte ein goldener Ring, den er in einer der Fehden erbeutet hatte, einem Zweiten sein bestes Schwert und einer Frau ihre wertvollste Kette. Diese Diebstähle bedrohten die Einheit des Stammes. Schemil reagierte sofort. Er befahl, dass derjenige, der beim Diebstahl ertappt wird, mit 50 Stockhieben auf den entblößten Rücken bestraft werden soll. Zunächst verfehlte diese Ansage ihre Wirkung nicht. Doch als es nach vier Wochen zum nächsten Diebstahl kam, waren alle erleichtert, dass man den Dieb auf frischer Tat stellen konnte. Doch die Erleichterung wich der Ernüchterung, als die Stammesangehörigen erfuhren, wer den Diebstahl begangen hatte. Es war die Mutter Schemils. Der befand sich nun in einer Zwickmühle. Wie sollte er handeln? Er wusste, dass seine Mutter die Stockhiebe nicht überleben würde. Ließe er daher Gnade vor Recht ergehen, um seine Mutter zu schonen, büßte er augenblicklich sein Ansehen im Stamm ein. „Jeder von uns wäre bestraft worden“ - hieße es dann - „aber ist seine eigene Familie betroffen, wird eine Ausnahme gemacht.“ Käme aber das Recht zu seinem Recht – würde die Bestrafung also ordnungsgemäß durchgeführt – bedeutete das den Tod seiner Mutter. Und so fällte Schemil eine ebenso „gerechte“ wie „weise“ Entscheidung. Er ließ die Bestrafung vollziehen, jedoch nicht an seiner Mutter, sondern an sich selbst. Erschüttert musste der Stamm mit ansehen, wie ihr geliebter Anführer schwer verletzt davon getragen wurde. Doch behielt durch sein Verhalten beides seine Gültigkeit: die Liebe zur Mutter, denn ihr Leben wurde ja geschont, und das Recht, weil die Strafe rechtmäßig vollzogen wurde.

So handelt auch Gott in Jesus Christus an uns. Barmherzigkeit und Gerechtigkeit behalten bei ihm ihre volle Gültigkeit.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine nachdenkliche und gesegnete Karwoche
Albrecht Mewes

 

"Als einer im Elend rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten." (Psalm 34,7)

"Wenn die Not aufs Höchste steigt, Gott der Herr sich gnädig zu uns neigt." singt der Vater von "Hänsel und Gretel" am Ende der gleichnamigen Märchenoper von Engelbert Humperdinck. "Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten", heißt es im Volksmund. Ja, es scheint wirklich so zu sein, dass die Not dem Menschen das Beten lehrt. Geht es mir hingegen gut, und bin ich erfolgreich, schreibe ich das eher meinem Fleiß oder meinem Talent zu. Daher wundert es mich nicht, dass selbst im Alten Testament die Zahl der Klagepsalmen die der Dankes- und Lobeshymnen bei weitem übertrifft. Es scheint zu unserer Natur zu gehören, dass wir lieber klagen, als danken und loben. Ein Blick in die Tagespresse beweist das hinlänglich, und auch die unzähligen Talkshows scheinen geradezu von der Negativkritik zu leben. Warum sollte das also zur Zeit der alttestamentlichen Beter anders gewesen sein? Gelobt wurde Gott ohnehin nur für seine Schöpfungswunder. Zwar griff der Mensch auch damals schon negativ in den Naturkreislauf ein - der Libanon, Nordafrika und Italien waren ursprünglich fruchtbare und waldreiche Regionen - , doch das spielte im allgemeinen Volksbewusstsein noch keine Rolle. Das persönliche Schicksal, sowie die Situation der Familie und des Volkes standen vielmehr im Mittelpunkt des Interesses. und darüber wurde vornehmlich geklagt. Um so erfreulicher ist es, dass der Beter des 34. Psalms, aus dem unser Losungswort stammt, einen anderen Grundton anschlägt. Zwar verschweigt auch er missliebige Zeiterscheinungen nicht (Psalm 34,20a und 22a), doch überwiegen bei ihm Lob, Dank und Vertrauen. "Ich will den HERRN loben allezeit; sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass es die Elenden hören und sich freuen." (Psalm 34,2.3). "Da ich den HERRN suchte, antwortete er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht." (Psalm 34,5). "Wohl dem, der auf ihn trauet!" (Psalm 34, 9b). "Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben." (Psalm 34,19). Man spürt bei solchen Worten, dass der Beter unseres Psalms seine Lebenskraft aus dem Glauben an Gott bezieht. Und es war diese aus dem Glauben und aus dem Gebet schöpfende Lebenshaltung, die Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer und Martin Luther King die Kraft gab, gegen alle Widerstände ihren Lebensweg konsequent bis zum Ende zu gehen, ja sogar bis in den Tod (Bonhoeffer, King). Mögen daher auch wir aus dieser Haltung Kraft für unser Leben schöpfen.

Ihnen eine gesegnete Woche
Albrecht Mewes

 

"Der Zöllner stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas 18,13)

„Wir sind alle kleine Sünderlein, ´s war immer so, ´s war immer so. Der Herrgott wird es uns bestimmt verzeih´n.“ Wahrscheinlich ohne es zu wissen, hat Willy Millowitsch in seinem Karnevalsschlager eines der Hauptanliegen der Reformation auf den Punkt gebracht. Weniger singbar drückte es der Apostel Paulus so aus: „Sie (die Menschen) sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“ (Römer 3,23-24). Denn „die Gerechtigkeit, (die) vor Gott (gilt), kommt (nur) durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben.“ (Römer 3,22). Allerdings geht es bei Paulus – wie später auch bei den Reformatoren – nicht um die Rechtfertigung ausgiebigen Alkoholzuspruchs oder amouröser Abenteuer während der Karnevalstage, sondern um die grundsätzliche Lebenshaltung eines Menschen gegenüber Gott und seinen Mitmenschen. Der Zöllner im berühmten „Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner“ (Lukas 18, 9-14), aus dem unser Losungswort stammt, hat dies verinnerlicht, der Pharisäer nicht. Der glaubt nämlich vor Gott besonders gut dazustehen, weil er die Gebote Gottes befolgt, zweimal pro Woche fastet und ein untadeliges Leben führt. Gleichzeitig aber verachtet er all´ diejenigen, die in seinen Augen nicht so perfekt sind wie er. Der Zöllner ist da ein willkommenes Opfer. Der kollaboriert mit dem römischen Erzfeind, haut seine Mitmenschen übers Ohr und steckt einen Großteil der Steuereinnahmen in die eigene Tasche. Umso erstaunlicher ist es, dass Gott ausgerechnet den kriminellen Zöllner rechtfertigt, den sich an Gottes Gebote haltenden Pharisäer aber nicht (Lukas 18,14). Für Gottes Entscheidung gibt es nach Auffassung der meisten Bibelwissenschaftler zwei Gründe: 1) Der Pharisäer misst nach unten. 2) Es gibt keine nur guten und keine nur schlechten Menschen.

Zu 1): Angesichts der vielen Verfehlungen des Zöllners glaubt der Pharisäer im Vergleich mit jenem besonders gut dazustehen. Das hat jeder von uns schon einmal getan. Wenn eine meiner Klassenarbeiten nicht so gut ausgefallen war (meistens in Mathematik), habe ich -  bevor zuhause das übliche Donnerwetter losbrach – erst einmal alle die aufgezählt, bei denen die Arbeit noch schlechter ausgefallen war. Die Arbeit wurde damit zwar nicht besser, aber ich hatte ein besseres Gefühl.    Würde Gott ein solches Verhalten dulden, spräche er jedem, der nicht den Idealansprüchen genügt, die Menschenwürde ab. Deshalb rechtfertigt Gott das Verhalten des Pharisäers nicht.

Zu 2): Der Mensch ist eine Grauzone, in der sich gute und schlechte Eigenschaften vermischen. Das beweist der aus dem Altgermanischen stammende Begriff der „Sünde“.  Ein Sund ist nicht nur eine Meerenge (z.B. Fehmarn- oder Öre - Sund), sondern gleichzeitig ein Riss in der Erdkruste. Ein solcher Sund kann vom Menschen nicht aus eigener Kraft überwunden werden. Auf der einen Seite des Sundes – so die Vorstellung – befinden sich die Menschen, auf der anderen Seite Gott. Der Mensch ist also „Sünder“, weil er unüberwindlich von Gott getrennt ist. Und zwar jeder Mensch. Darum gesteht Gott niemandem das Recht zu, sich über seinen Nächsten zu erheben. Uns ist lediglich aufgegeben, zu unserer Unvollkommenheit zu stehen,  und Gott wird uns um Christi willen rechtfertigen.

Bleiben wir also gelassen im Umgang mit uns und unseren Mitmenschen.
Ihnen eine gesegnete Zeit.
Albrecht Mewes

 

"Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." (1. Johannes 4,16)

Liebe Gemeinde, wahrscheinlich ist Ihnen dieses Bibelwort vertraut, wird es doch gerne zur Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung als Begleitspruch verwendet. Aber was ist hier mit "Liebe" gemeint? Während das Wort im Deutschen in verschiedensten Zusammenhängen gebraucht wird (man liebt seine Frau, gutes Essen, den Fußballverein, u.a.), differenziert das Altgriechische sehr deutlich. (Altgriechisch ist die Ursprungssprache des Neuen Testaments).  Vier Begriffe gibt es im Neuen Testament für das deutsche Wort "Liebe": "Eros"; "Fiducia", "Philadelphia" und "Agape". Der "Eros" beschreibt die körperliche Liebe, die aber im Unterschied zur späteren Kirchenlehre nicht abgewertet, sondern als völlig natürliches menschliches Verhalten verstanden wird ( vgl.1.Mose 2,24; Matthäus 19,5-6). Mit der "Fiducia" ist die tief empfundene Mutter- und Vaterliebe gemeint, die in der starken Bindung der Eltern an ihre Kinder ihren sichtbaren Ausdruck findet. Vor allem im ethischen Teil der neutestamentlichen Briefe spielt die "Philadelphia" eine herausragende Rolle. Dieses Wort ist wohl am ehesten mit "geschwisterlicher Liebe" zu übersetzen. Die gleichnamige amerikanische Großstadt trägt diesen Namen übrigens zu Unrecht, führt man sich vor Augen, dass sie in den USA zu den Städten mit der höchsten Kriminalitätsrate gehört. Was aber ist unter "Geschwisterlichkeit" zu verstehen? Der Begriff meint nicht nur das herzliche Verhältnis der Christen untereinander (Römer 12,10), sondern er schließt ausdrücklich das aufrichtige und freundschaftliche Verhalten gegenüber einem Fremden mit ein (Römer 12,10-15; Hebräer 13,1-3). Der zentrale neutestamentliche Liebesbegriff aber ist der der "Agape" und gleichzeitig der am schwersten zu erfüllende. Auf die Frage, was "Agape" bedeutet, gibt der Gesetzeslehrer in Lukas 10,27 die richtige Antwort: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen,von ganzer Seele und mit all deiner Kraft (vgl. 5. Mose 6,5) und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst (3. Mose 19,18)". Schon Martin Luther hat klar erkannt, dass diese Forderung nahezu unerfüllbar ist; denn in der Regel lieben wir Gott ja gar nicht um seiner selbst willen. Wir wenden uns erst dann an ihn, wenn wir mit unserem Latein am Ende sind und glauben, nur noch von ihm Hilfe erwarten zu können. Der Nächste ist uns häufig lästig, und fehlendes Mitgefühl mit anderen führen namhafte Psychoanalytiker darauf zurück, dass Viele Schwierigkeiten haben, sich selbst zu lieben, das heißt, sich selbst so annehmen zu können wie sie sind. Wenn ich aber davon überzeugt bin, "dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen,...und ich ihm für all das zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin (Luthers kleiner Katechismus, im Evangelischen Gesangbuch Nr. 855.2), dann weiß ich auch, dass Gott mich so gewollt hat wie ich bin, und dass er mir meinen Nächsten als "Mitmenschen" zur Seite gestellt hat. Wenn ich in meinem Nächsten Gottes Geschenk an mich sehe, ehre ich im Geschöpf den Schöpfer; dann erst liebe ich Gott von ganzem Herzem, usw., (siehe oben).

Ihnen eine gesegnete Zeit.
Albrecht Mewes


"Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei." (1. Mose 2,18)

Der letzte große Stauferkaiser Friedrich II (gest. 1250) war ein wissenschaftlich interessierter Mensch und in vielen Bereichen seiner Zeit weit voraus. So ließ er etliche Experimente durchführen, deren Ergebnisse die Wissenschaftler noch heute beschäftigen. Vor allem eines seiner Experimente erregt immer noch die Gemüter. Er ordnete an, Säuglinge ihren Müttern unmittelbar nach der Geburt wegzunehmen und der Obhut von Ammen zu übergeben. Die Ammen wies er an, die Säuglinge mit allem zu versorgen, was sie zum Leben brauchten. Sie bekamen immer genug zu essen und zu trinken, regelmäßig wurden die Windeln gewechselt, und im Krankheitsfall war eine ausreichende medizinische Versorgung sichergestellt. Nur eines durften die Ammen nicht. Sie durften nicht mit den Kindern sprechen. Auch Liebkosungen oder andere gefühlsmäßige Zuwendungen waren untersagt. Das Ergebnis des Experiments war niederschmetternd. Schon nach wenigen Monaten waren alle Kinder tot, gestorben an Lieblosigkeit und Vereinsamung. Daran, liebe Gemeinde, ist zu erkennen, wie lebensnotwendig eine dem Menschen zugewandte Kommunikation ist. Darum gehört seit Beginn der Schöpfung die Partnerschaft zum Leben dazu. das gilt für Pflanzen (wie neueste wissenschaftliche Untersuchungen belegen), für Tiere und natürlich auch für den Menschen. "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht" (1. Mose 2,18), stellt Gott schon kurz nach der Erschaffung Adams fest. Pflanzen und Tiere sind zwar notwendige Voraussetzung für sein Überleben (1. Mose 2,8-9; 19-20), entsprechen dem Menschen aber nicht. Er braucht ein Gegenüber, das ihm entspricht.  Als Resultat eines äußerst gewagten medizinischen Eingriffs präsentiert Gott schließlich Adam sein ihm entsprechendes Gegenüber: eine Frau (1.Mose 2,21-22), denn sie endlich ist "Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein" (1.Mose 2,23). Der direkt aus dem Hebräischen abgeleitete Begriff "Gegenüber" erscheint mir angemessener als Luthers "Hilfe". Obwohl Luthers Ehefrau Katharina von Bora ihm Wirklich eine "Hilfe" war. Ohne sie wäre er völlig verlottert. Entscheidend aber für das biblische Verständnis des Verhältnisses von Mann und Frau ist, das Gott sie wirklich als gleichberechtigte Partner geschaffen hat. Beide sollen einander ergänzen und zu einem neuen Menschen zusammenschmelzen. Und dies geistig, seelisch und natürlich auch körperlich. Sexualität ist deshalb eine von Gott dem Menschen geschenkte völlig natürliche Eigenschaft (1. Mose 2,24) und hat nicht das Geringste mit "Sünde" zu tun. Der Mensch sündigt erst dann, wenn er seinen Partner missbraucht oder betrügt.

Zum Schluss möchte ich den Begriff "Gegenüber" noch weiter fassen. Jeder Mitmensch ist unser "Gegenüber". Erst in Auseinandersetzung mit ihm, positiv wie negativ, erfahren wir, wer wir selbst sind.

Ihnen eine gesegnete Zeit.
Albrecht Mewes

 

"Du hast vorzeiten die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk." (Psalm 102,26)

Der französische Mathematiker, Physiker und Astronom Pierre - Simon Laplace (1749 - 1827) wurde von Napoleon (1769 - 1821) gefragt, ob er an Gott glaube. Seine Antwort: "Diese Hypothese kommt in meinen Berechnungen nicht vor." Ja, so waren sie die großen Aufklärer: von sich selbst überzeugt, von Gott emanzipiert und voller Verachtung für ihre Ahnen, die sich vom kirchlichen Aberglauben zu völlig falschen Vorstellungen von der Welt haben verführen lassen. Unser Losungswort: "Du hast vorzeiten die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk" (s.o.) wäre ihnen schwerlich über die Lippen gekommen. Glücklicherweise dachten so nicht alle modernen Philosophen und Naturwissenschaftler. So stellte sich beispielsweise der neuseeländisch - britische Experimentalphysiker Ernest Rutherford (1871 - 1937) die Frage: "Wen setzen die Materialisten eigentlich an die Stelle Gottes?", und er beantwortete sie mit einem sehr einleuchtenden Gleichnis: "Ein exakter Naturwissenschaftler gleicht einem Fischer, der aufs Meer hinausfährt, um Fische zu fangen. Dazu benutzt er ein Netz, das 5 cm breite wie lange - also quadratische - Maschen besitzt. Er wirft das Netz aus, holt den Fang ein und kommt zu folgendem exakten wissenschaftlichen Ergebnis: 1. alle Fische haben Kiemen; 2. alle Fische sind größer als 5 cm. Die Fische, die kleiner als 5 cm sind, können wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden." Folglich bestimmt die wissenschaftliche Methode das Ergebnis der Untersuchung. Die Methode - ein Ersatz für Gott? Nein, sagt der deutsche Atomphysiker Werner Heisenberg (1901 - 1976). Wenn ich nämlich glaube, das Gott "das Absolute" ist, und das tut ein glaubender Mensch ja (vgl. Hegel, Leibnitz u.a.), dann muss die Antwort "Nein" lauten, denn jede exakte wissenschaftliche Erkenntnis beschreibt immer nur einen Teilaspekt der Wirklichkeit. Den allerdings recht zuverlässig. Heisenberg befasste sich mit den Elementarteilchen, den kleinsten Bausteinen unserer Welt und kommt zu folgendem Ergebnis: es ist unmöglich, den Impuls und den Ort eines Elementarteilchens gleichzeitig zu bestimmen. Vor demselben Problem steht ein Fotograf, der eine Gruppe von Touristen vor einem historischen Bauwerk fotografiert. Seine Aufgabe ist es, zu entscheiden, was auf dem Foto scharf abgelichtet sein soll: die Gruppe oder das Bauwerk. Sind auf dem Bild Gruppe und Bauwerk gleichermaßen deutlich zu erkennen, hat der Fotograf das Foto manipuliert. Das aber funktioniert in der Natur nicht. So beeinflusst auch ein noch so exakt arbeitender Wissenschaftler mit seiner Fragestellung von vornherein das Ergebnis seiner Forschung. Eine absolute Naturerkenntnis kann es daher nicht geben.    Werner Heisenberg war gläubiger Christ und gleichzeitig einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts. In einem schönen Bild verdeutlichte er am Ende seines Lebens sein Verhältnis zu Gott: "Der erste Schluck aus dem Glas der (wissenschaftlichen) Erkenntnis", sagte er, "macht den Menschen zum Atheisten. Doch hat man das Glas vollständig geleert, erscheint auf dessen Grund wieder Gott."

Ihnen eine gesegnete Woche
Albrecht Mewes

 

"Christus Jesus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und denen, die nahe waren." (Epheser 2,17)

Haben Sie schon einmal das Straßburger Münster besucht? Wenn nicht, so kann ich Ihnen dies nur empfehlen. Schließlich schwärmte schon Johann Wolfgang von Goethe in seiner Schrift "Von deutscher Baukunst" von diesem Meisterwerk des Mittelalters. Vor allem begeisterten mich die sogenannten Ottonen - Fenster, die die ersten Kaiser des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" zeigen, besonders das von Otto III, weil dieser in Kessel geboren wurde, wenn auch nur auf der Durchreise. Im Blick auf unser Losungswort möchte ich auf zwei Steinskulpturen hinweisen, die sich über dem Südportal des Münsters befinden. Beide Skulpturen stellen Frauengestalten dar, allerdings in unterschiedlichen Posen. Die eine hält den Kopf gesenkt und trägt eine Binde vor den Augen. Die andere blickt stolz erhobenen Hauptes - mit päpstlichen Insignien ausgestattet - selbstbewusst und siegesgewiss geradeaus. Die erste Frauengestalt symbolisiert die Synagoge, blind für die Wahrheit des Evangeliums und deshalb gescheitert, die zweite die weltbeherrschende Kirche (- im Jahre 1215 war Papst Innozenz III der mächtigste Mann der Welt! -). Doch die damalige kirchliche Lehre ging noch einen Schritt weiter. Weil die Juden Jesus nicht als Messias (griechisch: Christus) anerkannten, waren sie auch von Gott verworfen und hatten keinen Anteil mehr am ewigen Heil. Aber diese Auffassung steht in deutlichem Widerspruch zu biblischen Aussagen. So spricht der Schreiber des Epheserbriefes davon, dass Christus den "Zaun", der zwischen Heiden und Juden aufgerichtet war, niedergerissen hat (Epheser 2,14). Mit dem "Zaun" waren der Bund Gottes mit Israel, die Thora und die Verheißungen Gottes an Israel gemeint (Epheser 2,12). Durch seinen Tod hat Jesus Juden und Heiden miteinander versöhnt (Epheser 2,14-18) und ihnen den gemeinsamen Zugang zu Gott eröffnet (Epheser 2,18). Allerdings hat der Schreiber des Epheserbriefes nur die Gemeinschaft von ehemaligen Juden und Heiden in der christlichen Gemeinde im Blick, nicht aber das Schicksal der Juden, die ihrem alten Glauben treu blieben. Ganz anders Paulus, was beweist, dass der Epheserbrief nicht von Paulus stammen kann, sondern wahrscheinlich von einem seiner Schüler.    Paulus ist hundertprozentig davon überzeugt, dass trotz der Existenz christliche Gemeinden, Gottes Verheißungen an die Erzväter und damit an ganz Israel auch weiterhin uneingeschränkt gelten (Römer 9,3-5). Und er warnt die Christen vor überheblicher Arroganz gegenüber den Juden (Römer 11,17-24). Er vergleicht Israel mit einem Ölbaum, in den die zum christlichen Glauben gekommenen Heiden wie ein wilder Ölzweig eingepfropft wurden (Römer 11,17). Der Zweig trägt nicht die Wurzel, sondern die Wurzel den Zweig (Römer 11,18). Diese Mahnung des Paulus sollte auch uns heutigen im christlich - jüdischen Dialog immer vor Augen stehen.

Ihnen eine gesegnete Woche
Albrecht Mewes

 

"Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit." (Hebräer 13,8)

Liebe Gemeinde, finden Sie sich in unserer modernen Welt noch zurecht? Diese Frage, glaube ich sagen zu dürfen, ist mehr als berechtigt. In den letzten hundert Jahren hat sich die Welt wissenschaftlich - technologisch, kulturell und gesellschaftlich stärker verändert als jemals zuvor. Ja, kürzlich las ich sogar, dass das Wissen der Welt sich gegenwärtig alle fünf Jahre verdoppelt. Das heißt, von 2015 -2020 sammelte sich genau so viel neues Wissen an wie in den fünftausend Jahren schriftlich fixierter Menschheitsgeschichte zuvor. Vor allem im gesellschaftlichen Bereich ist der Wandel deutlich spürbar. Vieles von dem, was noch vor wenigen Jahrzehnten als unumstößliche Norm galt, steht heute auf dem Prüfstand. Doch, muss ich mich eigentlich jedem gesellschaftlichen Wandel unterwerfen? Ich glaube nicht. Meine Großmutter (geb. 1898) war mir in dieser Hinsicht immer ein Vorbild. Sie übernahm nur das, was ihrem Leben gut tat. So feierte sie bis zu ihrem Tod (1993) in jedem Jahr am 27. Januar "Kaisers Geburtstag", und die gedeihliche Entwicklung der Kinder von Königin Silvia lag ihr stets mehr am Herzen als irgendwelche zukunftsweisenden Regierungsbeschlüsse. Kurz und gut: sie lebte bis zuletzt in der Welt ihrer Kindheit. Die gab ihr Halt und Orientierung in ihrem Leben. 

Ähnlich dürften auch die Seniorinnen und Senioren der christlichen Gemeinden gedacht haben, an die der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt. Wer dieser Schreiber war, wissen wir leider nicht. Aber soviel ist sicher: die Gemeinden befinden sich in einem gewaltigen Umbruch. Zehren die Älteren noch von der Erinnerung an die gute alte Zeit des Aufbruchs und des Glaubenseifers, kehren nicht wenige der Jüngeren ihrer Gemeinde den Rücken zu. Von der versprochen Erlösung ist nicht viel zu spüren, und die zunehmenden Feindseligkeiten der heidnischen Bevölkerung gegen die verhassten Christen tun ein Übriges. Der Schreiber des Hebräerbriefes reagiert darauf wie folgt: an der Erlösungszusage Jesu hat sich nichts geändert. Da vor Gott tausend Jahre wie ein Tag sind (Psalm 90,4), bleibt die Zusage Jesu bestehen, auch wenn davon noch nichts zu spüren ist. Der Schreiber bemüht eine Reihe von Zeugen (Hebräer 11), die nicht vom Glauben abfielen, obwohl ihre Situation trostlos war. Und Jesus selbst hatte kurz nach der Auferstehung Maria Magdalena (Johannes 20,17-18) und später den ungläubigen Thomas (Johannes 20,24-29) ermahnt, sich nicht mehr an dem festzuhalten, was sie mit dem irdischen Jesus erlebt haben, sondern glaubend ein Leben der Nachfolge Jesu zu führen. Dann bleibt Jesus Christus derselbe: gestern, heute und in Ewigkeit (Hebräer 13,8) und selbstverständlich auch 2021.

Ihnen eine gesegnete Woche
Albrecht Mewes

 

"Wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus."  (2. Korinther 1,5)

Wie tröstet man einen Menschen, der völlig in seiner Trauer versunken ist und der kein Licht am Ende des Tunnels sieht?  Empfindet er nicht jedes Wort des Trostes als zwar höfliche, aber doch letztlich hilflose Phrase?  Solche Fragen drängen sich immer wieder jeder Kollegin/ jedem Kollegen unseres Kirchenkreises auf, die/der am Dienst in der Notfallseelsorge beteiligt ist. Vor allem nach dem Überbringen einer Todesnachricht ist die Trauer der Angehörigen oft grenzenlos.  Jedoch bedeutet es schon einen gewissen Trost, wenn sie in ihrer Verzweiflung spüren, dass sie nicht allein gelassen sind.  Paulus spannt im 2. Korintherbrief den Bogen noch weiter. Die von ihm gegründeten Gemeinden haben ihm immer wieder Kraft gegeben, wenn er in eine Lebenskrise kam. Schließlich wurde er vier Mal inhaftiert, war häufig krank und musste mehrfach erleben, dass er vergeblich einen Missionsversuch gestartet hatte. Allem voran aber spendete ihm der Glaube an Jesus Christus Trost, weil Gott sich in ihm auf die Seite der Trauernden, Leidenden und Gescheiterten stellte. Durch diesen Glauben empfingen auch die von Paulus gegründeten Gemeinden Kraft zum Weitermachen, zum einen, weil sie den mitleidenden Jesus auf ihrer Seite wussten, zum anderen fanden sie Halt in ihrer Gemeinde, weil einer den anderen trug. Zwar lagen der Brand von Rom (19. Juli 64 n.Chr.) und die daraufhin einsetzende Christenverfolgung unter Nero noch in der Zukunft, doch wurden die Christen bereits jetzt (Mitte der 50 er Jahre) von der heidnischen Umwelt missgünstig beäugt und zunehmend ausgegrenzt. „Einer trage des andern Last“ (Galater 6,2) wurde ihnen in dieser Situation zum Grundsatz.

Diesem Grundsatz verlieh Georg Heym (1887 – 1912) in seiner Erzählung „Der kleine Jonathan“ bildliche Gestalt. Jonathan, ein Schiffsjunge, wurde im schweren Sturm von der Schiffstreppe geschleudert und lebensgefährlich verletzt. Gleich nach der Ankunft im Heimathafen brachte man ihn ins nächstgelegene Krankenhaus. Da er aus den Tropen kam, legte man ihn – isoliert von den übrigen Patienten – in ein Einzelzimmer. Um zu verhindern, dass jemand versehentlich das Zimmer betrat, wurde die Zimmertür geschlossen und eine Art Oberschwester Hildegard (Schwarzwaldklinik!)  zur Bewachung abgestellt. Jonathans Schmerzen waren unerträglich, und als wolle man ihm seine ausweglose Situation vor Augen führen, hing am Fußende seines Bettes das Bild des gekreuzigten Jesus. Doch dieses Bild hatte für Jonathan nichts Tröstliches.  Hatte Jesus doch das Wunder verweigert, zu dem ihn die Umstehenden aufgefordert hatten: „Hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz“ (Matthäus 27,40).  Doch dann geschah das Unerwartete. Nach einer Visite wurde die Oberschwester zu einem anderen Patienten gerufen, und man vergaß die Tür zu schließen. Jonathans Blick fiel auf ein junges Mädchen im Nachbarzimmer. „Ich habe Sie in der vergangenen Nacht viel stöhnen hören“, sagte sie, „Sie haben sicherlich starke Schmerzen.“  Augenblicklich ließen die Schmerzen nach, und Jonathan erschien das Mädchen wie ein Heiligenbild, denn ihr war sein Schicksal nicht egal. Obwohl Georg Heym nicht religiös war, greift er hier ein christliches Symbol auf, um die tröstliche Wirkung der Anteilnahme hervorzuheben. Doch leider hatte unsere Geschichte kein „Happy End“. Man bemerkte, dass eine Tür offenstand, die geschlossen sein musste, schloss sie wieder, stellte erneut eine Wache ab und verurteilte Jonathan damit zum Tode. Wieder vereinsamt, wurde er auf seine Schmerzen zurückgeworfen. Sie überwältigten ihn so sehr, dass er zusammenbrach. Obwohl man sofort operierte, starb Jonathan: an seiner Einsamkeit.                                                                                                                                                                                        

Ihnen eine gesegnete Woche
Albrecht Mewes

 

"Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“ (Römer 3,23-24)

Es gibt keinen zweiten biblischen Begriff, der so häufig missbraucht wird, wie das Wort: „Sünde“.  Abgesehen von den sexuellen Assoziationen, die es auslöst, wird es oft in Zusammenhängen gebraucht, die seine ursprüngliche Bedeutung völlig verfälschen. Da hat jemand „gesündigt“, wenn er seinem Körper mehr Torte oder andere Köstlichkeiten zugemutet hat, als diesem gut getan hätten. Es „sündigt“ auch derjenige, der seinem Nächsten bewusst schadet oder kriminelle Handlungen begeht. Immer handelt es sich um ein konkretes Tun, wenn von „Sünde“ die Rede ist. Anders bei Paulus und später auch bei Luther.  Für sie ist die Sünde kein „Tun“, sondern ein „Zustand“. Anders ausgedrückt: der Mensch „sündigt“ nicht, er ist vielmehr ein „Sünder“, und zwar deshalb, weil er ein Mensch ist. Jeder Mensch ist ein „Sünder“ (Römer 3,23). Was ist damit gemeint? Nun, das deutsche Wort „Sünde“ leitet sich vom altgermanischen Begriff „Sund“ ab. Unter einem „Sund“ verstehen wir normalerweise eine Meerenge. Der Fehmarn - Sund trennt die Insel Fehmarn von Schleswig -  Holstein, der Öre – Sund Dänemark und Schweden.  Ließe man nun das Wasser der Ostsee ablaufen, wäre augenblicklich erkennbar, worum es sich bei einem „Sund“ handelt. Er ist ein Riss in der Erdkruste, ein tiefer Graben, den ein Mensch ohne moderne technische Hilfsmittel aus eigener Kraft nicht überwinden kann. Auf der einen Seite dieses Grabens steht Gott – ein Symbol für Vollkommenheit und unbegrenzte Gnade und Barmherzigkeit -, auf der anderen der Mensch – ein Symbol für Unvollkommenheit und moralische Fehlerhaftigkeit -. Wir sind häufig ungerecht, verletzen unseren Nächsten und machen ständig Fehler, weil wir eben Menschen und keine Götter sind. Gott schuf uns nicht als perfekte Maschinen, sondern als fehlerhafte Wesen, die aber die Freiheit haben, selbstbewusst in dieser Welt zu leben. Und das schließt natürlich auch die Rebellion gegen Gott und seine Gebote ein. Martin Luther folgerte daraus, dass es keine nur guten und keine nur schlechten Menschen gibt. Der Mensch ist eine Grauzone, in der sich Gut und Böse vermischen. Dennoch nimmt Gott uns an, wenn wir im Glauben anerkennen, dass Jesus für uns in den Tod ging, um unsere Schuld stellvertretend abzutragen (Römer 3, 23-24; s.o.)

Was bedeutet das für unsere Welt? Aus der Erkenntnis, dass der Mensch eine Mischung aus Gut und Böse ist, leitet sich für die führenden Frauen und Männer in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Verpflichtung ab, einen Ausgleich zwischen Oben und Unten, zwischen den Armen und den Reichen, zwischen den Mächtigen und den Machtlosen herzustellen. Der sehr religiös geprägte neue US – Präsident wurde daher in seiner Antrittsrede nicht müde, immer wieder auf sein Bemühen hinzuweisen, diesen Ausgleich zu schaffen, um so zu einer dauerhaften Einheit der Gesellschaft beizutragen. Möge ihm dies gelingen.

Ihnen eine gesegnete Woche
Albrecht Mewes

 

"Gott der Herr machte den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (1. Mose 2, 7)

 "Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ fragt der Beter des achten Psalms (Psalm 8, 5). Zu Recht – finde ich. Wenn ich mir die vom Menschen zu verantwortenden Probleme unserer Welt anschaue, hege ich allerdings Zweifel an der vollmundigen Aussage: „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ , mit der der Psalmist sein Gebet fortsetzt (Psalm 8, 6). Wohltuend realistischer sieht dagegen der Schreiber des zweiten Schöpfungstextes (2. Mose 2, 4b -25) den Menschen. Hier hört man nichts von „Gottesebenbildlichkeit“ oder der Qualifizierung des Menschen als „Krone der Schöpfung“. Nein, ganz wirklichkeitsgetreu wird dem Menschen ein Spiegel vorgehalten, der ihm schonungslos vor Augen führt, dass er nur ein Geschöpf unter anderen ist. Der Mensch ist ein Erdling (hebräisch: Adam), der aus Erde (hebräisch: Adama) gemacht ist, ja mehr noch: er wurde von Gott aus dem Staub der Erde erschaffen, dem unfruchtbarsten Teil des Erdbodens; nicht aus fruchtbarem Löß oder kostbarem Humus. Noch drastischer formuliert das der Kirchenvater Hieronymus in seiner lateinischen Bibelübersetzung. „Gott formte den Menschen aus dem „Schlamm“, ja dem „Schmutz“ (lateinisch: limus) der Erde. „Staub“, „Schlamm“, „Schmutz“ vom Acker, das ist der Mensch, zumindest materiell gesehen. „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück“, spricht Gott am Ende der Sündenfallgeschichte zu Adam (1. Mose 3, 19).

Schlösse ich an dieser Stelle meine Betrachtung, jeder frustrierte Menschenverächter und Zivilisationskritiker sähe sich bestätigt, und das sogar durch die Bibel. Doch dies ist nicht das letzte Wort zu unserer Losung, denn Gott haucht dem Menschen den „Atem des Lebens“ ein, und dadurch erst wird der Mensch „ein lebendiges Wesen“. Ja, mehr noch: dadurch erst erlangt er seine Würde, erhält er Anteil an Gottes Geist. „Atem“ und „Geist“ sind in der Bibel häufig austauschbare Begriffe. So geadelt, dürfen wir mit dem Psalmbeter bekennen: „Du hast ihn (den Menschen) wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ (Psalm 8, 6). Doch dieser Adel verpflichtet uns auch zu verantwortungsvollem Handeln. „Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte“ (1. Mose 2, 15). Der Garten Eden ist nämlich kein Paradies, sondern lediglich ein allerdings fruchtbarer Garten, umgeben von unfruchtbarer Wüste. Der Mensch muss durch sein Tun diesen Garten erhalten und damit seine eigene Existenz sichern.

Auf unsere Zeit übertragen bedeutet das: wir dürfen unserer Welt nur so viel nehmen, wie wir in der Lage sind, ihr auch wieder zurück zu geben. Diese Welt ist uns von Gott anvertraut. Gleiches gilt im Blick auf unser Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen. Wir müssen nicht jede, schon gar nicht jede noch so verquere Auffassung unseres Gegenübers teilen, doch verdient jeder Mensch Respekt und Achtung, denn auch er ist Gottes Geschenk an uns. Ehren wir also im Geschöpf den Schöpfer.

Ihnen eine gesegnete Zeit!
Albrecht Mewes, Pfarrer

 

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